Inhaltsverzeichnis:
- Woltershausen
- Hornsen
- Louis Spohr
- Dröge
- Kelch und Patene der Kirche zu Woltershausen in Hannover
- Niensen
- Wüstung Sollensen
- Woltershausen war schon immer ein sehr fortschrittliches Dorf
- Franz Leopold DrögeFranz Leopold Dröge
Woltershausen
( Text: Geschichte des Kreises Alfeld von Paul Graff aus dem Jahre 1928)
(AK) Der Name Woltershausen ( = Haus des Walther ) deutet auf eine sehr alte Siedlung hin. Der Volksmund glaubt, die kleine Siedlung des Walther hätte aus den wüst gelassenen Orten Niensen und Sollensen Zuzug erhalten. Aber so klein und unbedeutend kann sie nicht gewesen sein, da sie eine der ältesten vorhandenen Kirchen hatte. Das Dorf war früher von Hörigen ( Laten, Liten ) bewohnt, denn 1141 werden hier „14 mansi litonici“ ( mansi = Hufe = 30 Morgen ) erwähnt. Deswegen bestand hier noch im 18. Jahrhundert ein Sogen (starkes Vordringen des Baumwuchses). Latgut, und ebenso wurde noch 1830 Latzins an das Amt bezahlt.
Sonstige urkundliche Nachrichten über das Dorf sind selten. Es wird noch berichtet, dass Lippold von Escherde, Vogt von Lamspringe, im 12. Jahrhundert Ansprüche auf Güter in Woltershausen entsagte (vgl. hierfür und für vieles andere Wedekind, Pastor in Woltershausen, in seinen ausführlichen Aufsätzen über die Geschichte des Kirchspiels Woltershausen im „Boten aus der Börde“ 1919ff.). Danach wären die ältesten Grundherren von Woltershausen die Herren von Escherde gewesen; ferner das Kloster Lamspringe (Meinberg S.41). Außer diesen und dem Amt ist auch noch der Archidiakon von Alfeld (Lützel S.430) und dem Amt vor Hildesheim Grundherr, bzw. im 19. Jahrhundert das Collegium Josephinum (Hoogweg V 1316, Lützel S. 239). Nach einer Akte in W IV 1 besaß auch später die Familie von Heidemann (Hedemann) Land in Woltershausen und verkaufte nebst anderen Gütern in Klein Freden 1732 eine Hufe an die von Wrisberg.
In Winzenburger Erbregister von 1578 werden folgende Namen der Ackerleute, Halbspänner und Kotsassen genannt; Kißling (später Schünemann, Sandvoß, Jördens), Sieverdes, Elze (später Amtsschreiber Dröge), Stuke, Hane, Herbst, Brandes, Wulfes, Bode, Wiese, Keine, Klingebiel, Meybom, Beckmann, Lüder, Lauwe, Hußmann (später Knackstedt), Pape, Eggers, Almstedt, Dehne, Breimann, Rißling, Wissmann. Alle Einwohner dienen wöchentlich 2 Tage dem Amt; tun auch die anderen Dienste, die dem Amt zustehen. Sonstige Einwohner siehe Kayser S. 227, Alfelder Kirchenbuch von 1595 und Stadtbuch 1 von Münder zu1627 in H, zu 1682/1793 f. H K A I 1 und E K IV 7.
Die bäuerlichen Lasten finden sich bei Lüntzel S. 183 ff. (Ablösung: s.a. K A XI 3 Nr.4).
Um Irrtümer zu vermeiden, sei mitgeteilt, dass das Woltershausen in Sohnreys „Bruderhof“ nicht unser Woltershausen ist, sondern Möllensen, wo Sohnrey Lehrer war.
Die gesamte Feldmark hat 1894: 664 ha; darunter an Ländereien 1490 Morgen. Diese können erst spät bestellt werden, da der Boden kalt ist. Jedoch wächst es dann gut und gibt mehr als mittlere Erträge. Die Flurorte (vgl. Wedekind) haben folgende Namen: Haselrode, Nienser Berg, Niensen, Nienser Feld, Breitenbusch, Zwischen den Becken, Langeracker, Ellerweg, Ellerbeek, Wörth (=freier Platz), Die Ernst (von Erkangenuinus ingenuus, f. Förstemann II.!. Sp. 831 ?), Steingrube, Landesmohle (= mulde), Muhle, Sudehne (hängt mit Süden zusammen), Sollenser Kamp, Hinter dem Holzweg, Ellerdehne, Jörnbleek (vom Eigennamen Jörns), Am heißen Strauch (von Heister = junges Holz), Wiese in Sollensen, Woltershäuser Dehne, Suhbeek, Nienser Tal, Nienser Ohrt, Laakwiese (von Lache), Rißbrink, Krummes Feld, Hinter dem Holzwege.
Die Verkoppelung fand 1854 statt. Die Genossenschaftsforst (F 475,8,477,5) hatte 1905: 174,9863 ha, davon 104 in der Gemarkung Woltershausen, 40 in der Gemarkung Sackwald. Außer dem Sackwald liegt sie in den Vorbergen, Niederwald und Kirchenforst, hat Buchenhochwald und Mittelwald. Mit Irmenseul (s.d.) zusammen besteht noch eine 2. Genossenschaftsforst: „Genossenschaftsforst Woltershausen- Irmenseul Kommunion zu Woltershausen“. Diese „Kommunionsforst“ liegt in den Vorbergen, war 1913: 82,0963 ha groß, hat Buchenhochwald, Nadelholz, Mittelwald. Der Abnutzungssatz an Derbholz wurde 1905 auf 335 Festmeter festgesetzt. Die Forstorte beider genossenschaftssorten heißen im Sackwald: teufelskirche, Zwerglöcher, Ahrensberg, Opperhäusertal (Das sich vor der Horst südlich der Teufelskirche befindene Tal wird noch 1694 in der Sackwaldkarte „Rebberhäuser Dahl“ genannt, heute heißt es „Opperhäuser Tal“. Der Name ist also allmählich entstellt), Langergrund; im Niederwald: Dörberg (Dornberg), Heerhai (Herdenhai, hai = abgeholzte Fläche); in den Vorbergen:Dörberg, Hirtenhai (Heerhai), Ützenberg, Heißerstrauch (= junger Buschwald). Die 4 Brinksitzer haben nur ½ Holzteil. Früher hatte Woltershausen auch Weiderechte in den „Niederen Bergen“ (Seidensticker i S. 397). Über einen Streit mit Netze 1812 s. JB 42 Nr.4.
Die Grundbesitzer heißen: 1 Ackermann. Bertram (Wegener) Nr.1, 180 Morgen; 2 Halbspänner: Goedecke 3, 110 Morgen, Dröge (kath., verzogen) 2, ist durch den Ankauf von 3 Kothöfen ein gutsmäßiges Anwesen geworden, jetzt parzelliert.
Viertelspänner: Goedecke 4, 45 Morgen.
Kotsassen: Stoffregen 5, Beyes 6, Schaper 7 (Doppelkötner), Fricke 8, Schaper 9, Goedecke (Doerrie) 10 (Doppelkötner), Brauns (Schnelle) 11, Laue 12, Wolf 13, Kreibke 15, Flügge 16, Wolf 19, Laue 22, Habenicht 23, Oppermann 24, laue 66, Habenicht 94, diese haben durchschnittlich 12 – 60 Morgen. Außer diesen gibt es eine ganze Reihe an Gewerbetreibender. Schon im Erbregister wird ein „Fenstermacher“ genannt. 1809 finden sich in Woltershausen 4 Kaufleute ( Materialien, Garn, Gewürze usw.): Spohr, Laue, Treller, Sander (D B 9), s.a. Adressbuch.
Die Dorfstraßen heißen: Südliche Dorfstraße, Mittlere Dorfstraße, Nördliche Dorfstraße, Großes Kirchtor, Kleines Kirchtor, Kreuzstraße, Kaninchenbrink.
Die ältesten Häuser, mit Inschrift versehen, sind
Nr. 82: „Anno 1772“;
Nr. 70: „1799“;
Nr. 54: „Christoph Seute Johanne Marie Star“, ohne Jahreszahl, aber schon recht alt;
Nr. 42: „Johann Heinrich Treller Sofie Marie Blicklip 1812“;
Nr. 63: „Heinrich Mävers Johanne Marie Grotjahn Anno 1842“;
Nr. 55: „Christoph Grotian * Elisabeth Kiehne Anno 1835“:
Besonders zu erwähnen, als vorbildlich für bäuerliche Neubauten, ist das neue Haus des Ackermanns Bertram, von Baurat Senff in Hildesheim entworfen und von Maurermeister Leinemann - Irmenseul ausgeführt. Ebenfalls bemerkenswert ist die neue Scheune des Halbspänners Goedecke.
An Vereinen sind vorhanden: seit 1866 der Männergesangverein „Concordia“, der Turn und Schulverein seit 1910/12, der Konsumverein seit 1895, seit etwa 1878 ein Rindviehversicherungsverein, seit 1906 desgleichen für Schweine, eine landwirtschaftlich Bezugs- und Absatzgenossenschaft, Landbundortsgruppe seit 1921, eine Spar- und Darlehnskasse, der Ziegenzuchtverein seit 1911, seit 1906 das Elektrizitätswerk, das nach dem Anschluß an Gronau einging, ein Jungfrauenverein seit 1895, der Gustav – Adolf – Zweigverein, sozialdem. Wahlverein seit 1920, Stahlhelm seit 1924, Mandolinenclub seit 1924, Fußballclub „Niedersachsen“ seit 1910, der Kriegerverein, auch für die umliegenden Dörfer, nachdem sie früher sämtlich dem von Lamspringe angehörten.
Kriegsteinehmer
von 1812: Christian Stoffregen (gef.), Joh. Heinrich Konrad Stahlmann (gef.)
von 1866 sind: Heinrich Albrecht (gef.), Wilhelm Laue, Ernst Oppermann, F.H. Bohnsack (Hornsen), Ludwig Brinkmann, Friedrich Kiehne, Friedrich Sickfeld;
Von 1870/71: Heinrich Fricke, Heinrich Albrecht, Wilhelm Laue, Friedrich Sickfeld, Friedrich Mävers, Christian Ulrich, Ludwig Brinkmann, Heinrich Laue, Heinrich Sickfeld, Karl Randau, Friedrich Kiehne, Friedrich Vespermann (später Irmenseul), H.A. Randau, August Sickfeld (später Irmenseul).
Von den 86 Teinehmern an Weltkrieg 1914/18 erlitten folgende 17 den Heldentot für ihr Vaterland:
Friedrich Bodenstein, Karl Philipps, Heinrich Kiehne, Friedrich Große, Friedrich Bertram, Heinrich Schmidt, Wilhelm Gödecke, Heinrich Albrecht, Friedrich Grotjahn, Friedrich Henze, Heinrich Oppermann, Otto Schaper, Wilhelm Wedekind, Gustav Albrecht, August Kraudy, Wilhelm Steinhoff, Heinrich Schaper; ferner von 9 Teilmehmern aus Hornsen 4: Heinrich Johannes, Karl Bietje, Heinrich Alperts, August Heuer.
Die Gemeinde setzte ihnen ein Denkmal.
Seit 1907/08 ist eine Gemeindekrankenpflegerin vorhanden, zurzeit Frau Treller. In Irmenseul und Harbarnsen befinden sich Margarethenschränke (ein Schrank, der alle wichtigen Dinge für die häusliche Krankenpflege enthielt und dessen Inhalt im Bedarfsfall ausgeliehen werden konnte). Die Einwohnerzahl betrug 1701: 175, darunter 5 Katholiken (H, Hildesheim Def. I 76,1), 1823 (Ubbelohde) 361, 1925: 451. Sonst ist aus der Ortsgeschichte noch zu erwähnen, dass es auch im Siebenjährigen Kriege (1756-63) starke Einquartierung hatte; desgleichen in der Franzosenzeit große Lasten, betrugen doch nur die „Etappenkosten“ z.B. für 1811 schon 406 Frcs.
Die Ortsvorsteher bzw. Bauermeister waren: 1786 Riefling und Schünemann (Bauermeister), 1787 Kiene, 1788 Stoffregen, 1793 Kiene, 1796 Kiene, 1800 Göke, 1807/19 Möhle (1811 „maire“), 1848 Kiene (Bauermeister), 1852 Vorsteher Laue, 1853/60 Stoffregen, 1876/82 Laue, 1882/1919 Schaper, seit 1919 Kreibke, Bornträger, zurzeit Oppermann.
Ein Gemeindeausschuß besteht seit 1884. Das Stimmrecht richtet sich nach den Steuern. Auf 5 Mark kam damals eine Viertel Stimme, auf 5-10 Mark eine Halbe Stimme, auf 10-25 Mark eine Stimme, für je 5 Mark mehr eine weitere viertel Stimme. Der Voranschlag der Gemeinderechnung von 1910 wies in Einnahme und Ausgabe 10000 Mark auf, darunter Schulzwecke 3500 Mark. An Gemeindesteuern wurden 1910 gehoben: 198 v.H. der Realsteuern von 1709 Mark, 132 v.H. der Einkommen- und Betriebssteuern von 1367 bzw. 60 Mark umlagefähigem Soll.
Das Gründungsjahr der aus grauen Bruchsteinen der Woltershäuser Feldmark erbauten Kirche ist unbekannt, doch ist nicht ausgeschlossen, dass sie, nach den rundbogig geschlossenen Fenstern des Turmes zu urteilen, bis in die frühmittelalterliche Zeit hineinreicht. Die Kirche ist dann 1509 durch einen örtlichen Anbau im Spitzbogenstil erweitert. An der Ostseite der Sakristei steht diese Jahreszahl zweimal (Anno DMXVCIX)
Dieser Anbau war vielleicht eine Marienkapelle. Die Gestalt der Maria mit dem Kinde ist an der Decke angebracht. An der Wand ist eine dreiteilige, gotisch gehaltene Nische, über der ein Christuskopf zusehen ist. Sonst ist die Kirche jetzt leer. In zwei weiteren kleineren, höher gelegenen Nischen werden, den Überresten nach zu urteilen, Paulus und Petrus gestanden haben. Über die Entstehung der Schleifrillen im Sakristeigemäuer sind die Meinungen noch geteilt. Manche meinen, dass Krieger hier ihre Waffen geweiht hätten.
Ihre jetzige Gestalt erhielt die Kirche durch einen größeren Umbau im Jahre 1802. Die inneren Maße der Kirche sind rund 22,50 Meter Länge, einschließlich der 3.73 Meter langen Sakristei, 8 Meter Breite und 6 Meter Höhe. Die Zahl der Sitzplätze beträgt etwa 300. Die Kanzel befindet sich über dem Barockaltar. Sie ist jünger als der Altar. Rechts und links und unter- und oberhalb der Kanzel befinden sich der 4 Evangelisten mit ihren Kennzeichen (Mensch, Löwe, Stier, Adler), über der Kanzel zwischen zwei Engeln mit Lilien und Siegesfahne der triumphierende Christus. Auch liest man den Spruch: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“. Die 4 Altarleuchter (2 von Bronze, 2 von Zinn) sind alt. Während des Krieges ist elektrische Beleuchtung angelegt. Vorhanden ist auch noch ein Messingräucherfass mit der Inschrift: „J.A.S. 1749. A.M.M.“. Der Klingelbeutel ist 1830 von A. Sander gestiftet. Der noch Malereispuren (fides und spes) enthaltene Fußboden des Lehrestuhles ist vielleicht von der alten Emporenbrüstung (K). In der Kirche hängt auch eine Gedenktafel der schon genannten Kriegsteilnehmer von 1870/71. Die Sakristei ist seit 1897 durch Ausschmückung eines Tisches zu einem kleinen Altar und durch mancherlei Altertümer finnig ausgestaltet, hat auch seit 1913 Heizung erhalten. Der Armenstock in der Sakristei trägt den Namen: „Steffen Pape 1650“. Ein Kruzifix dort ist 1877 von Pastor Wiegand gestiftet mit der Mahnung. Erhaltet mein Grab! Zu diesem zwecke hatte er auch ein Legat von 2300 Mark gestiftet, dessen Überschüsse den Armen zugute kommen sollte.
Ganzbesondere Sehenswürdigkeiten befinden sich unter den heiligen Geräten. Es handelt sich um den Abendmahlskelch und die Patene. Letztere stammt sicher, der Kelch sehr wahrscheinlich aus Livland ( = Gebiete der heutigen Staaten Estland und Lettland im damaligen Meistertum Livland des Deutschordensstaates), (vgl. H v. Bruiningk, Kelch und Patene der Kirche zu Woltershausen (mit 3 Tafeln), Sitzungsbericht der Gesellschaft für Geschichte und Altertümer der Ostseeprovint 1907). (siehe auch eigenen Bericht hierzu)
Der Stifter der aus Urkunden von 1426 und 1428 bekannte Dekan der Öselschen Kirche, Joh, Corever, der etwa 1423, einem alten Versallgeschlecht jenes Stiftes entsprossen, gestorben ist. Demnach stammt die Patene aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhundert und ist somit das ältste der bis jetzt bekannten livländischen Altargeräte. Der Kelch ist nicht der in der Inschrift erwähnte, sondern einige Jahrzehnte jünger; er ist ein „tüchtiges“ Werk spätgotischer Goldschmiedekunst. Auf der Unterseite des Fußes ist in gotischen Minuskeln (Gitterschrift) folgende Inschrift zu lesen:
got * geve * (vom Stecher durchstrichen) den * de * ewige * pin * de * dessen * kellek * bi * alle * godes * hiligen * tv *evigen * tiden * sie *
Wahrscheinlich hatte der Kelch also zu eine Bicarie Allerheiligen gehört.
Das 1. Wappen, Adlersflug mit Wolfskopf (die mit Kleestengeln belegten Saren aufwärts), ist das der alten livländischen Familie von Wettberg, das 2. (bekrönter leopardierter Löwe) ist das der v. Üxküll, altlivländisches Versallengeschlecht, dessen größter Besitz im festländischen Teil des Bistums Ösel- Wiek war.
Wie Kelch und Pantene nach Woltershausen kamen, ist schwer zu sagen. Bekanntlich hatte der spätere Bischof von Reval (seit 1477), vorher Probst von Ösel und zur Lippe, Simon v. d. Borch, die Würde eines Scholasters von Hildesheim. Merkwürdigerweise handelt es sich in einem seiner Prozesse um die Entwendung eines Kelches. Weiteres lässt sich nur vermuten, aber bis jetzt nicht urkundlich belegen.
Von anderen altertümlichen Geräten ist noch die bleierne Taufkanne zu nennen, in welcher der Woltershäuser Küster früher das warme Taufwasser nach Irmenseul zu Taufen tragen musste.
Die jetzige Orgel ist 1864 für 847 Thaler. Von Schaper- Hildesheim bezogen. Für die alte vergütete er 25 Thaler. Der Turm erhielt seine jetzige Gestalt durch einen notwendigen Umbau im Jahre 1880. Das frühere recht windschiefe Turmdach war vierseitig mit roten Ziegeln gedeckt und lief oben in 2 Balken aus, zwischen denen die Uhrschlagglocke hing. Auf diesen Balken ein kleines rundes Schutzdach mit Stange und Wetterfahne. Diese Stange zeigte die Jahreszahl 1701 und der Wetterhahn die Zahl 1827. Die Turmuhr ist 1879 für 730 Mark von Weule- Bockenem aufgestellt und erhielt 1912 auch ein Betglockenwerk. Die alte war schon mehrere hundert Jahre alt und unbrauchbar.
Die ehedem vorhandenen beiden Glocken waren sehr alt. Die Ältere hat die Inschrift. „anno dni 1512 * sum dulci sona * fleo mortua * pello nocma (= nocumenta) * frango tonitrua * fugo demania * vocor maria sabba * an (Raute) bar’olomei herme koster“ Zwischen der Inschrift befindet sich eine kleine, 5 Zentimeter hohe Abbildung: Maria mit dem Jesuskinde. Auf dem langen Felde sind zwei Figuren bemerkenswert: ein bärtiger Mann, in der einen Hand ein Buch, in der anderen ein Schwert haltend (Paulus?) und die gekrönte Maria mit einem Tier am Band, dazu noch das Zeichen Harmen Kosters. Die Inschrift ist von Sabba her nicht recht verständlich. Man hat vermutet, dass es heißen solle, dass sie am Bartholomäustage geweiht sei. Die Schlussworte enthalten den Namen des bedeutenden Hildesheimer Glockengießers Koster. Die jüngere Glocke trug folgende Inschrift. Rycolaes heet ick, den levendychghen roep ick, den dooden ouer luy ick. Goebel carl heest my ghegoten, jut jaer heeren MCCCCCXL (1540). Diese Glocke sprang 1906. Eine Abbildung hängt in der Sakristei. Die Neue, von Radler- Hildesheim gegossen, aber im Kriege abgegeben, hatte unter der Haube folgende Inschrift: „Mich goß C. Goebel im Jahre 1540, umgegossen durch F.F. Radler und Söhne Hildesheim 1906, früher Nicolaus, jetzt Christus genannt“; unten am Rande: „der Kirchenvorstand P.A. Wedekind, Chr. Laue, Chr. Habenicht, E. Sickfeld, Chr. Gödecke, E. Rott, H. Pinkepank – Lehrer F. Grosse“. Auf den Seiten des langen Feldes ist die Geburt Christi dargestellt mit der Überschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe!“ und die Kreuzigung mit den Worten: „Es ist vollbracht!“
Das Gewicht der neuen Glocke beträgt 1269 Pfund, der gesprungenen 1218 Pfund. Die Töne waren as und a; die Neue erhielt statt a den Ton f. Für diese abgegebene wurde 1925 eine Neue, ebenfall mit dem Ton f, angeschafft. Sie hat die Inschrift: „Mich goß C. Goebel im Jahre 1540, Gebr. Radler- Hildesheim gossen mich 1906 um und erneuerten mich als Kriegsopfer 1925 – früher hieß ich St. Nikolaus, jetzt Christus – zum Andenken an die 1914/18 gefallenen Brüder“. Es folgte dann – welch ein schöner Gedanke!- die Namen der Gefallenen aus Woltershausen, Hornsen und Irmenseul, auch die Namen der Kirchenvorstandsmitglieder: A. Wedekind, P., H. Laue, A. Sickfeld, R. Dörrie, E. Fricke, H. Laue, L. Dörrig – Kantor Fr. Grosse. Bild: Christus am Kreuz mit Umschrift: „Es ist vollbracht“ Unter den Namen der Gefallenen das Eiserne Kreuz mit Eichenlaub, alles in latein. Schrift mit romanischer Verzierung.
Das alte Pfarrhaus war 1712 erbaut, das Jetzige 1846 für 2347 Thaler. Das Pfarrwitwenhaus neben der Kirche ist 1788 neu gebaut, da das Alte zu baufällig war. Es ist jetzt vermietet. Die Mieter haben die Pflicht zu läuten. Es hat die Inschrift:
„Hier, der du besogst Gottes Wort, ist deiner Witwe Zufluchtsort. Anno 1788“.
Der neue Friedhof ist 1874 angelegt. Hagelfeier (jetzt Dienstag vor Jacobi, früher nach Jacobi) ist in Woltershausen und Harbarnsen. Die Kirchenbücher beginnen 1685, Taufen seit 1692. Das Kirchenvermögen bestand 1542 bei der Einführung der Reformation (Kayser S.220) aus ½ Hufe, die 3 Walter Roggen, 2 Walter Hafer gab, 1 heiliges Holz, 1 Kelch; nach dem Erbregister von 1578 1 Hufe Land, das „die Männer“ haben und 2 Himten vom Morgen geben, auch ist selten bestelltes Wildland vorhanden. Die älteste Kirchenrechnung ist von 1714. Im Jahre 1845 wurde die Kirchenlade mit den Obligationen gestohlen (K I S. 955).
Die Pfarre, deren Patron das Moritzstift war, später der Bischof, hatte 1542 (Kayser a.a.D.) 3 Hufen, die 2 Fuder Korn gaben, 1 Wiese, 1 Umgang, Holz aus der Gemeinde bei 7 oder 8 Fuder, 10Gr. Hofzins, Vierzeitenpfennig; nach dem Erbregister: 3 Hufen, wovon er selbst 16 ½ Morgen gebraucht. Das Pfarrwitwentum besteht 1910 außer dem Hause aus etwas Land, das 40 Mark aufbringt und den Zinsen von 1367 Mark Kapital.
Von den Pastoren vor der Reformation sind bekannt: Johann Bremer, von dem es heißt, er habe 1367 Land bei Eldagsen verkauft (Wedekind a.a.D. S. 59,68); seit der Reformation (Kayser a.a.D.; Lauenstein II S.280, H Cal. Br. 21 C IV und Def. 83 Conf. Hannover III 781 und Pfarrbestallungsarten im Konfistorium).
1542 bis nach 1568 Bert. Stoffregen, „verus“, sein Mercenar (1544: Stoffregen).
1575 bis vor 1593 Conrad Harrihausen.
1593/1633 Hermann Hahn.
1633/1661 Johannes Sweimarus (Sreramus).
1661/1684 Johannes Vögeler (Vogler), seit
1671 Johann Maaß aus Hildesheim als Adjunkt.
1685 ff. Christoph Leo (Lauwe) aus Hildesheim, besuchte das Andreanum, studierte 1675 in Leipzig
1720/1752 Arnold Henning Dörrien, zunächst als Adjunkt, Schwiegersohn des Vorg.
1753/1805 Georg Ludwig Heinrich Spohr, Pastorensohn aus Deensen bei Holzminden, geboren 1729, studierte 1747 in Halle und 1749 in Göttingen, Konrektor an der Lateinschule in Alfeld, „ein tüchtiger und eifriger Pastor, dazu einer der gelehrtesten Männer im Lande“. Er gab ein eine Algebra heraus, seine „deutschen und französischen Lieder – Braunschweig, Waisenhaus 1781“ wurden in reformierten Kirchen gesungen. Der Tod Lessings verwickelte ihn in eine literarische Fehde mit dem Braunschweiger Rektor Konrad Heusinger. (Die Familie Spohr stammt aus Alfeld, f. dort.) Das berühmteste Glied dieser Familie, der Geigenkünstler und Tondichter Louis Spohr, der seine Jugend bei seinem Großvater in Woltershausen verlebte, starb 1859 als Hofkapellmeister in Kassel.
1803/1817 (zuerst als Adjunkt) Hermann Erich Lubrecht, wird 1817 Superintendent in Nettlingen; später in Großfolschen; er ließ eine Konfimationsrede drucken.
1817/1821 Friedrich Ernst Sander, geboren 1776 als Pastorensohn in Woltwiesche i. Brg. War Hauslehrer in zwei Familien, Gymnasium in Braunschweig, stud. In Helmstedt und war 7 ¾ Jahre Rektor in Bockenem.
1822/1831 Ernst Friedrich Rasche, geboren 1792 in Hannover, Interimsprediger in Elbingerode, ging nach Isenbüttel.
1831/1841 G.K. Aug. Rehbock, geboren etwa 1803 in Hannover, wurde Superintendent in Salzgitter.
1842/1859 Moritz Philipp Friedrich Reinmann, vorher Pastor in Eimsen.
1861/1876 Johann Georg Heinrich August Wiegand, geboren 1818 in Hannover, Pfarrkollaborator in Steinwedel, versetzt nach Scharzfeld. Man erzählte von ihm, dass er wegen seiner großen Kurzsichtigkeit sein Tintenfaß im Nebenzimmer stehen hatte und infolge des steten Hin- und Hergehens sich eine noch jetzt sichtbare Vertiefung im Fußboden gebildet hätte.
1877/1884 Ernst August Karl Brandes, geboren 1849 in Hannover als Sohn des späteren Pastors in Eberholzen, studiert in Göttingen, Leipzig, Erlangen, „pasteur vicaire“ und Lehrer in Lyon, Pfarrkollaborator in Brinkum, versetzt nach Mellendorf.
1887/1896 Georg Friedrich Johannes Hoyer, Pastorensohn aus Hannover (Christuskirche), 1896 entlassen.
Seit 1897 ff. August Gottlieb Theodor Wedekind, geboren 1865 in Hildesheim als Kaufmannssohn, studierte in Göttingen und Tübingen, Kollaborator in Mulsum, Pastor in Crummasel.
Die jetzige neue, sehr schöne Schule mit Bad ist 1912 von Senff für 45000 Mark erbaut, da die Alte nicht genügte. Zwar war schon 1852 die Schulstube vergrößert und 1883 sogar eine besondere Klasse angebaut, aber die Kinderzahl (1900: 100 Kinder, darunter 18 aus Hornsen) war zu groß. Woltershausen bildet mit Hornsen den (Gesamt) Schulverband Woltershausen- Hornsen. Die Schule ist jetzt eine dreiklassige mit 2 Lehrern. Die Schulbücher sind die üblichen wie in den anderen Landschulen, z.B. wie in Hörsum. Die Volks u. Schulbücherei ist 1890 gegründet und hat 1909: 360 Bände. Eine freiwillige Fortbildungsschule ist schon 1889 eingerichtet. Sie bestand nicht lange; die ländliche Pflichtfortbildungsschule erst nach des 2. Lehrers 1913.
Als Diensteinkommen des Opfermannes wird 1542, bei der Einführung der Reformation (Kayser a.a.D.), angegeben: 4 Morgen Land, 15 Garben Stiegen, 5 Walter Hafer, Holz aus der Gemeinde, 1 Umgang; im Erbregister: 4 Morgen zehntfreies Land, dazu aus den 3 Dörfern Woltershausen, Harbarnsen, Irmenseul Korn. Der Mehrbetrag für Kirchendienst ist 1911 auf 550 Mark festgesetzt aus einer Gesamtdotation von 736 Mark.
Als die neue Schule gebaut wurde, erfolgte die Auseinandersetzung zwischen Kirchen und Schulgemeinde. Danach sind alle Grundstücke außer 1 ¾ Morgen (Suhbeek und Dehne) kirchlich. Als Ersatz für Aufwendungen an der Schule erhält die bürgerliche Gemeinde darauf eine unverzinsliche Hypothek von 2000 Mark, die bei der wirklichen Trennung fällig wird; falls das Haus verkauft wird, vom Erlös 3857 Mark. Die Holznutzung wird in zwei gleiche Teile geteilt. Naturalien, Gebühren und alle Kapitalien sind kirchlich. Das Schulinventar gehört dem Schulverband, das neue Haus nur der bürgerlichen Gemeinde, und die Kirche muss es bei wirklicher Trennung räumen.
Die Lehrer, soweit sie bekannt sind, heißen:
1598 Joh. Beltheimb („Oppermann“, H Cal. Br. 21 C IV 4);
1663 Jacob Schulze;
1666 Andreas Dörrien (“Küster”). Um diese Zeit bestand die Schule schon länger, da ja jetzt auch Harbarnsen einen eigenen Lehrer haben will;
1697 Heinrich Bruns (H, Hildesheim Def. 3, 11, Lamspringe Nr.1 kk);
1742/62 Joh. Friedr. Bruns (Braun);
1762/99 Joh. Friedr. Wilhelm Braun;
1799/1853 Andreas Otto Ludwig Hörmann, geb. in Coppenbrügge, besuchte das Andreanum in Hildesheim, heiratete die Tochter des Pastors Spohr, sein Sohn wurde Pastor in Everode, eine Tochter heiratete nach Freden.
1853/89 W. Pinkepank, Lehrerssohn aus Stedum bei Peine, vorher Lehrer in Warzen;
seit 1889 Friedrich Wilhelm Eduard Zacharias Grosse, geboren in Scharzfeld, Seminarbesuch in Alfeld, Lehrer in Segeste.
Als 2. Lehrer wurde 1912 Friedrich Bodenstein ernannt; erlitt den Heldentot.
Ihm folgte Karl Hennis, Lehrerssohn aus Bönnien, vom Seminar in Alfeld, Lehrer in Deilmissen, Kriegsteilnehmer.
Die Geschichte des Kreises Alfeld von Paul Graff
aus dem Jahre 1928
Hornsen
(AK) Die jetzige Domäne Hornsen (1337 „Horgnsen“, auch „Horrensen“ im Erbregister und auf Karten des 18. Jahrhunderts von Seutter und Arenhold, s.a. Hanno.Gel. Anz. 1753, S. 1146, von „hor“ = sumpfig, also Sumpfhausen oder von „horn“ = Spitze (?), ebenda II. 1., Sp.1424), worin die v. Steinberg Besitzungen hatten (s. Koken, Winzenburg S.117 und Urk. VIII ). Es bestand noch 1337. Wann Hornsen wüst geworden ist, ist unbekannt. Jedenfalls war es im 16. Jahrhundert schon lange ein Vorwerk von Winzenburg; als solches wurde es auch 1617 von Herzog Friedrich Ulrich für 6000 Thaler an Lamspringe verpfändet (H Or. 225, Erbregister, s.a. Seidensticker I S. 387 und Oehr S.21).
Bild,ak
Von den Verwaltern des Vorwerks sind bekannt: Heinrich Gerloff 1643 (R A), Stolte, der um 1696/1710 als Amtsschreiber und Meier (Pächter) in Hornsen wohnte. Dieser hatte einen Prozeß mit den Sackwalddörfern wegen der Hude im Jungwald, aus dem hervorgeht, daß damals bei Hornsen ein großer Eichenbestand war. Ferner Amtsvogt Johann Dröge. Der jetzige Pächter, Amtsrat Sommer aus Hannover und sein Sohn Oberamtmann Sommer, gestorben 1924, kam 1875 als Verwalter für Winzenburg nach Hornsen, hatte es dann 6 Jahre Unterpacht, bis es1888 abgezweigt und 1891 mit einem großen teil der Winzenburger Forst als Domäne Hornsen selbständiger Gutsbezirk wurde. 1823 (Ubbelohde) hatte es 7 Feuerstellen und 63 Einwohner, 1925: 23. 1902 werden bei der Neuverpachtung angegeben: 264 ha; Grundsteuerreinertrag. 6055 Mark; es war damals für 12199 Mark verpachtet.
Der alte Kuhstall hat die Jahreszahl 1555; er wird also auch wohl aus den Trümmern der Winzenburg erbaut sein; der Schafstall am Giebel trägt Wappen und Namenszug des Fürstbischofs Clemens August und die Jahreszahl 1727, das frühere Wohnhaus die Inschrift:
IHS / MRA / IOPH / AD / MAIOREM / DIE GLORIAM 1714.
Da früher auch in Hornsen Gericht gehalten wurde, befand sich hier eine Gerichtsstube. 1874 ist das Gebäude aber abgerissen. Im Jahre 1857 brach ein großer Brand aus, der die Scheune einäscherte. Nach dem Brand ist der Schafstall verlängert, damals wurden auch der Pferdestall und die neue Scheune aus Steinen vom Heber bei Lamspringe und vom Selter erbaut. Das neue Wohnhaus aus Ziegelsteinen ist im Jahre 1889 erbaut.
Die Gutsglocke hat die Inschrift: „FURSTLI HILDESHEIMRSCHE HOFKAMMER: AD MAJOREM GLORIAM DIE AVE MARIE. ANNO 1709 GOS MICH HEINRICH LAMPEN IN HILDESHEIM“.
Die Grenze des Gutsbezirks ist: Rustiberg – Anewelle oder Ahnewelle (kein Forstort, sondern ein Teil des uralten Weges Winzenburg – Hildesheim, Bedeutung?, vielleicht von „ana“ = hinauf und Welle = welliges Gelände, s. Paul S. 648 u. Förstemann II. 1., Sp. 142) – Burkhardtshöhe – Heinberg (beide i. Schutzbezirk Everode) – Feldmark – Forstgrenze – (rechts der Straße von Freden aus) – Winzenburg – Apenteich – Ahnewelle.
Die Flurnamen der z.T. hochliegenden Ländereien sind von Südwesten an: Eulenwinkel (früher Wolfswinkel), Schwarzer Aecker, Rotebornskamp, Steinkamp, Gehlenberg, Steinkamp (also noch ein anderer St.), Fuchskuhle, Gerkamp, (ger = keilförmig), Käsebeutel, Hammelwiese, Feldberg, Graster Heide, Sütter (feuchte Stelle, s. Förstemann II. 2., Sp. 715), Osterlange (s.S. 469), Nienser Berg, Masch, Wellerkamp (früher Wehmerkamp), Griege (kl.Bach (?), s. Förstemann II. 1., Sp. 1729, s.a. S. 469), Grasewegsbreite.
In Woltershausen haben einst berühmte Leute gewohnt
Louis Spohr verlebte Teile seiner Jugend bei seinem Großvater in Woltershausen
von Heinrich Schaper
Louis Spohr war ein deutscher Komponist, Dirigent, Pädagoge, Organisator von Musikfesten und ein Geiger von internationalem Ruf. Neben dem Italiener Niccolò Paganini zählte er zu den größten Geigern seiner Zeit. Spohr war bereits zu Lebzeiten eine Berühmtheit und als Komponist weitaus bekannter als beispielsweise Robert Schumann.
So kann man über Louis Spohr in unzähligen Berichten lesen.
Aber dass er Teile seiner Jugend bei seinem Großvater in Woltershausen verbracht hat wissen die wenigsten.
Louis Spohr wurde als das älteste Kind des Medizinalrates Karl Heinrich Spohr (1756–1843) und seiner Frau Ernestine Henke (1763–1840), in Braunschweig geboren. Das Kind zeigte früh sein musikalisches Talent, so dass es schon im fünften Jahr gelegentlich in den musikalischen Abendunterhaltungen der Familie mit seiner Mutter Duette singen konnte.
Sein Großvater Georg Ludwig Heinrich Spohr war 52 Jahre von 1753 bis zu seinem Tode im Jahr 1805 Pastor an der Marienkirche in Woltershausen. Er wurde am 3. Dezember 1729 als Sohn eines Pastors in Deensen bei Holzminden geboren. Er war verheiratet mit Sofie Katharina Schäfer, die am 19. Juli 1796 im Alter von 64 Jahren in Woltershausen verstorben ist. Gelebt hat die Familie Spohr im alten Pfarrhaus in Woltershausen, welches im Jahre 1712 erbaut wurde. Das neue Pfarrhaus wurde erst im Jahre 1846 für 2347 Taler erbaut, ist heute in Privatbesitz.
"Er war ein tüchtiger und eifriger Pastor, dazu einer der gelehrtesten Männer im Lande. Er gab eine Algebra heraus", schreibt Paul Graff unter anderem in seinem Buch "Die Geschichte des Kreises Alfeld. "Das berühmteste Glied dieser Familie war der Geigenkünstler und Tondichter Louis Spohr, der seine Jugend bei seinem Großvater in Woltershausen verlebte. Er starb 1859 als Hofkapellmeister in Kassel".
In einer Selbstbiografie schreibt Louis Spohr unter anderem:
Mein Vater, Karl Heinrich Spohr, Dr. der Arzneikunde, später Medizinalrat, war der Sohn eines Predigers zu Woltershausen im Hildesheimischen. Er hatte sich am 16. November 1782 mit Ernestine Henke, Tochter des Predigers an der Ägidienkirche zu Braunschweig, verheiratet und die erste Zeit bei den Schwiegereltern im Pfarrhause gewohnt. Ich war das älteste Kind dieser Ehe und wurde am 5. April 1784 geboren. Zwei Jahre später ward mein Vater als Physikus nach Seesen versetzt. In Seesen wurden mir vier Brüder und eine Schwester geboren. Meine Eltern waren musikalisch. Der Vater blies Flöte und die Mutter spielte Klavier. Während des Unterrichts bei einem französischen Emigranten, dem adeligen Leutnant Dufour, machte ich auch meine ersten Kompositionsversuche.
Als es nun auf Dufour's Zureden beschlossen war, dass ich mich ganz der Musik widmen sollte, drang dieser darauf, dass ich nach Braunschweig gesandt werde um weiteren theoretischen Unterricht in der Musik zu erhalten. Dies konnte jedoch nicht geschehen bevor ich konfirmiert war. Nach einem streng befolgten Gesetz durfte die Konfirmation im Herzogtum Braunschweig nicht vor dem 14. Jahre stattfinden. Um nun keine Zeit zu verlieren wurde ich im zwölften Jahr zum Großvater in das Hildesheimische nämlich nach Woltershausen geschickt, wo es der Entscheidung der Prediger überlassen war wann die Kinder zur Konfirmation zugelassen werden sollten. Hier erhielt ich während eines Winterhalbjahres von dem gelehrten Großvater nicht nur in Religion sondern auch in manchen anderen Dingen Unterricht. Nur für Musikstunden war nicht gesorgt, da weder der Großvater noch die Oheime etwas davon verstanden. So musste ich denn zweimal in der Woche mit meiner Geige nach der Stadt Alfeld wandern und mit dem dortigen Kantor musizieren. Wie beschwerlich auch diese Wege bei der häufig unfreundlichen Winterwitterung waren, so freute ich mich doch stets darauf.
Auf der Hälfte des Weges nach Alfeld stand eine einsame Mühle. Dort war ich bei einem starken Regenguss einmal eingetreten und hatte die Gunst der Müllerin so sehr gewonnen, dass ich von da an stets vorsprechen musste, mit Kaffee, Kuchen und Obst gelabt wurde und ihr dann zum Dank etwas auf der Violine vorfantasierten musste. Noch ist mir erinnerlich dass ich sie einst mit Variationen von Vranitzky über das Thema: "Du bist liederlich ", worin alle die Kunststückchen vorkamen, womit Paganini später die Welt entzückte, so außer sich versetzte, dass Sie mich an dem Tage gar nicht wieder von sich lassen wollte.
Anm. Wo auf halben Wege zwischen Woltershausen und Alfeld diese alte Mühle um 1798 gelegen haben könnte, lässt sich leider nicht mehr feststellen.
Zur Erinnerung an den großen Komponisten hat die Stadt Seesen die Louis-Spohr-Medaille gestiftet; sie wird alle zwei Jahre an hochbegabte Nachwuchsmusiker vergeben. Im Städtischen Museum Seesen wird in einigen Räumen an Louis Spohr erinnert. Museumsleiter Friedrich Orend und seine ehrenamtliche Mitarbeiterin Marianne Wadsack haben viel über den berühmten Geigenvirtuosen und Komponisten Louis Spohr, der in Seesen von 1786 bis 1796 seine Kinderjahre verbracht hat, zusammen getragen und so der Nachwelt zugänglich gemacht.
Foto H.Schaper 2014: Museumsleiter Friedrich Orend und ehrenamtliche Mitarbeiterin Marianne Wadsack vor dem Taktstock von Louis Spohr.
Entdeckungen im Landkreis Hildesheim
Ortsbegehung am 6. Oktober 2012
von Heinrich Schaper
Neuentdeckung, das passt gut zu diesem Hof, denn dieser Hof ist echt eine neue Entdeckung nach über 100 Jahren. Wenn diese Ortsbegehung vor dem 1. September stattgefunden hätte, wäre man an diesem Grundstück wahrscheinlich achtlos vorüber gegangen. Erst durch einen ganzseitigen Bericht in der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung" über aufgefundene Tagebuchaufzeichnungen in England wurde dieses Grundstück wieder in Erinnerung gerufen.
Es handelt sich um ein gutsmäßiges Anwesen am Ortsausgang von Woltershausen in Richtung Harbarnsen. Inmitten eines großen Parks, von der Straße kaum zu sehen, steht eine Villa, erbaut in englischem Stil, auf dem Nachbargrundstück stehen noch die sehr gut erhaltenen Wirtschaftsgebäude des Gutes, dessen Ländereien links der Straße nach Harbarnsen lagen.
Zu meiner Kindheit wurde dieser Hof auf plattdeutsch immer nur als "Drögen Hoff" bezeichnet. Doch nähere Auskunft über die Dröge's, die hier mal gelebt haben, konnte niemand geben, oder man wollte nicht darüber sprechen.
Zu dem gefundenen 100 Jahre alten Foto von dem in englischem Stil erbauten Haus habe ich in dem Bericht mit einem neuem Foto beigetragen. Ein weiterer Artikel ist am 29. September in der HAZ erschienen. Titel: "Annies Kriegsnotizen rühren viele Menschen". Dort heißt es unter anderem: "Die Region Hildesheim sorgt in Großbritannien für Schlagzeilen. Das kleine Woltershausen und die Städte Bad Salzdetfurth sowie Hildesheim sind dort ein Begriff".
Arthur Dröge hat nur kurze Zeit hier gelebt. Er ist erst nach 1909 mit seiner Ehefrau Annie hier nach Woltershausen gekommen. Damals hat er das Herrenhaus und das Gut von seinem Onkel, Adolph Dröge, der ein Freund von Kaiser Wilhelm I war, übernommen. Die Ländereien waren inzwischen verpachtet. Sämtliche Ländereien links von der Straße Richtung Harbarnsen gehörten dazu.
Im Buch: "Geschichte Alfelds", welches in den zwanziger Jahren erschienen ist, sind als die größten landwirtschaftlichen Betriebe in Woltershausen, unter der Hausnummer 1 Ackermann Bertram mit 180 Morgen und unter Hausnummer 2 (steht ganz knapp) Dröge (katholisch verzogen). Letzterer ist durch Zukauf von drei Kothöfen ein gutsmäßiges Anwesen geworden, jetzt parzelliert.
Aber im Winzenburger Erbregister von 1578 kommt unter den Woltershäuser Ackerleuten, Halbspännern und und Kotsassen aber auch schon ein landwirtschaftlicher Betrieb namens Dröge vor. ( Eltze - Dahinter steht in Klammern - später Amtsschreiber Dröge.) Ob der Eintrag schon mit diesem Grundstück zu tun hat lässt sich leider nicht mehr feststellen.
Bekannt war hier in Woltershausen nur, dass die Dröges am Ende des ersten Weltkrieges nach England übergesiedelt sind.
Durch den Bericht und den in England auf einem Dachboden aufgefundenen Aufzeichnungen aus dem Tagebuch der Annie Dröge, hat der kleine Ort Woltershausen eine besondere Aufmerksamkeit erfahren.
In England ist darüber ein 262 seitiges Buch mit dem Titel: "Diary of Annie's war" erschienen.
Ich habe mir dieses Buch gekauft. Es ist in englischer Sprache erschienen und beschreibt den Lebenslauf der Annie Dröge zusammengefasst folgendermaßen:
Annie ist geboren im Marktstädtchen Stockport in England am 25. Juli 1874. Sie war die älteste von neun Kindern. Ihre Eltern waren Anne und John Drummond. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter musste sie sich um ihre sieben Brüder und eine Schwester kümmern, ebenfalls um ihren Vater.
Der Familie ging es einigermaßen gut, denn Vater John arbeitete für seine Mutter, auch eine Annie, bekannt als "die Herzogin von Lever Street", in ihrem außergewöhnlichen Geschäft in Manchester. Sie exportierte Kleider, Hüte und Hauben nach Deutschland mit der lokalen Firma "Agentur Dröge und Co".
Durch das Geschäft ihrer Großmutter traf Annie zum ersten Mal auf die Liebe ihres Lebens, nämlich Arthur, den jüngsten Sohn des Deutschen Leopold Dröge und seiner englischen Frau Elizabeth. Arthur Dröge war in England aufgewachsen. Er war eine führende Persönlichkeit in dem Familienunternehmen und in einer guten Position. Er sprach sechs Sprachen - fließend.
Sie waren jung, verliebten sich ineinander und heirateten am 30. Juni 1900 in der "Sankt Philip und Sankt James Kirche" in Stockport.
Im März 1902 wurde ihre Tochter Anne Josephine geboren. Leider verstarb sie schon als Baby im Dezember desselben Jahres. 1903 wurde noch ein Sohn, Leopold, geboren. Er starb gleich nach der Geburt. Arthur's Vater Leopold starb im März 1908 und im folgenden Jahr starb auch Arthur's älterer Bruder Leopold im Alter von 29 Jahren.
Es folgte bald ein weiterer Todesfall in Deutschland. Arthur's Onkel, Adolph Dröge, er war ein Freund von Kaiser Wilhelm I, der hier des Öfteren zu Gast war, und Eigentümer dieses Herrenhauses mit Gut in Woltershausen.
Nach dem Tod des Vaters änderte sich Arthur's Karriere. Er wurde Auslandskorrespondent und arbeitete zunächst von zu Haus in Stockport aus für die deutsche Presse.
Aber da Arthur's Onkel ohne Nachkommen verstorben war, erbte Arthur als der einzige männliche Erbe, dessen Vermögen. Dazu gehörte das Herrenhaus in Woltershausen, dessen Ländereien inzwischen an andere Landwirte verpachtet waren. Zu seinem Erbe gehörten ferner eine Villa am Rhein in Königswinter, ein Haus bei den Heilquellen in Bad Salzdetfurth und ein Haus in Hildesheim.
Bei Ihrer Ankunft in Woltershausen wurde das Ehepaar Dröge als die neuen Eigentümer herzlich willkommen geheißen. Annie war sehr beeindruckt, aber sie war auch ein bisschen enttäuscht fest stellen zu müssen, dass die deutschen Hausangestellten, obwohl sehr höflich, sie nur als "die Frau des Herrn Dröge" ansahen. Aber Annie arbeitete nach besten Kräften daran eine gute Vermittlerin zwischen den Pächtern mit Ehefrauen und ihrem Ehemann Arthur zu sein.
Alles lief gut - Aber dann kam der erste Weltkrieg 1914. Annie, Sie war damals 40 Jahre alt, hatte Freunde und Bekannte die für den Kaiser kämpften. Aber Sie hatte auch Angehörige die auf der anderen Seite kämpften. Der Hass auf beiden Seiten muss sehr groß gewesen sein. Ehemann Arthur wurde am 6. November 1914 wegen seiner Beziehungen zu England verhaftet und in Berlin interniert.
Annie wurde danach als "die Ausländerin" bezeichnet und von vielen alten Freunden gemieden. Sie wurde zweimal täglich von der Polizei verhört. Sie hätte viele Möglichkeiten gehabt nach England zurückzukehren, aber sie sagte immer wieder: „Wenn wir gehen dann gehen wir zusammen".
Im Jahre 1917 gingen Sie zurück nach England. Die Ländereien wurden parzelliert und durch einen Auktionator an Woltershäuser Landwirte verkauft. Das Herrenhaus, welches lange Zeit von verschiedenen Mietern bewohnt war, wurde in den dreißiger Jahren an den Besitzer der Netzer Kalk und Merkel Werke, Werner Moritz, verkauft.
"Der letzte Eintrag im Tagebuch von Annie Dröge war am Dienstag, 6.Februar 1917. "Ich fahre heute Morgen um viertel vor sieben von hier fort und hoffe auf eine gute Überfahrt. Ich schreibe gerade einen Brief an Arthur und bete, dass ich ihn bald wieder sehen werde".
Das Ende von Annie und Arthur Dröge aus Woltershausen
Das Paar war nun wieder vereint und lebte glücklich miteinander. Bis auf einen Punkt, denn während seiner Zeit in Deutschland hatte man Arthur Dröge geraten, sein Geld in Grundstücke zu investieren. Aber am Ende des Konflikts und nach fünf Kriegsanleihen waren seine Ländereien praktisch wertlos.
Arthur hatte die Zeit seiner Internierung in Deutschland gesundheitlich besser überstanden wie seine Frau Annie. Sie war nicht so glücklich. Nach den Strapazen ihres Lebens in Deutschland während des Ersten Weltkriegs war sie nach ihrer Rückkehr dünn und geschwächt.
Sie hatten sich Geld in der Familie geliehen um Ihr Haus in Stockport wieder einrichten zu können. Ihr Einkommen besserten sie etwas auf indem Sie Zimmer vermieteten.
Die Rückkehr nach England war von der Familie erleichtert aufgenommen, wobei die Begrüßung von Annie verständlicherweise herzlicher ausfiel als die von Arthur, denn die Nation hatte in dem Krieg viele Söhne verloren.
Die Zeit begann sich zu normalisieren. Viele von den herrlichen Möbeln, Gemälden und Schätzen (einige waren Geschenke des Kaisers) kamen schließlich aus Deutschland zurück.
Aber der Besitz dieser Schätze währte nicht lange, als Arthur wieder anfing seiner Leidenschaft für guten Wein und Bridgespielen zu frönen.
Aber er fand nach seiner Rückkehr Erwerbsarbeit bei der "Manchester Ship Canal". Dadurch, dass er viele Sprachen beherrschte bekam er den Posten eines Übersetzers. Leider hat er es nicht allzu gut getroffen, denn in seinem früheren Leben hatte er eine viel höher gestellte Position inne. Obwohl er das nie zugeben wollte. Er sagte immer, seine jetzige Arbeit sei weniger stressig als seine letzten drei Jahre in Deutschland.
.Annie begann ihre Arbeit in der Kirche und sagte, dass sie viel glücklicher wäre beim Waschen der Tee-Handtücher und beim Helfen der Armen in der Pfarrei, als dass sie als "grande chatelaine in Deutschland" bekannt sei.
Ihrer Kriegsjahre in Deutschland wollte sie nicht überschätzt wissen und sagte immer: "Es war ein Abenteuer."
Aber leider forderten die Jahre ihren Tribut, und obwohl sie der "Star des Zweiten Weltkrieges" war, hat sie ihn nur bis zum Jahre 1940 überlebt, denn sie starb im Alter von 66 Jahren.
Arthur - der immer auf ein baldiges Ende des Zweiten Weltkrieges gehofft hatte, überlebte seine Frau Annie um ein Jahrzehnt. Er starb im Jahre 1950.
Bis zu seinem Tod, im Alter von 79 Jahren, hat Arthur immer von der Liebe seines Lebens, seiner Frau Annie, geschwärmt.
Jetzt sind sie für immer zusammen - begraben nebeneinander auf einem Stockporter Friedhof in England.
Dröges Hof in Woltershausen
Kelch und Patene der Kirche zu Woltershausen in Hannover
(Sitzungsbericht der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1907 Riga. Druck von W.F.Hacker 1908. Seite 107 bis 117)
Von H. v. Bruiningk.
(AK) Die Ostseeprovinzen sind an mittelalterlichem Altargerät bekanntlich äusserst arm. Von den reichen Kirchenschätzen Alt-Livlands haben sich nur einige wenige Stücke erhalten. Die St. Nikolaikirche zu Reval bewahrt einen Kelch von 1435 nebst zugehöriger Patene und einen andern, der dem Anfang des16. Jrh. zugeschrieben wird. Etwa ebenso alt wie dieser dürfte der sog. kleinere Kelch der Domkirche zu Riga sein, während der Kelch der hiesigen St. Jakobikirche bald nach 1474 gestiftet sein muss. In dem von unserer Gesellschaft herausgegebenen Werke: Goldschmiedearbeiten in Livland, Estland und Kurland (Lübeck 1892) hat Anton Buchholtz diese Geräte abgebildet und beschrieben (Die beiden Kelche der St. Nikolaikirche auch bei Dr. E. v. Nottbeck u. Dr. Wh. Neumann, Gesch. der Kunstdenkmäler der Stadt Reval, Bd. 2, Reval 1904. S. 95 ff. Ebd. S 98 n. 3 wird noch ein dritter, spätgotischer Kelch dieser Kirche erwähnt). Er erwähnt ferner einen dem Museum zu Twer gehörigen Kelch, dessen deutsche Inschrift die einstmalige Zugehörigkeit zu einem St. Katharinen- Jungfrauenkloster, höchst wahrscheinlich dem der Zisterzienserinnen zu Dorpat, beweist. Wenn wir schliesslich der gegenwärtig in der Eremitage zu St. Petersburg befindlichen, aus der St. Nikolaikirche zu Reval stammenden schönen Monstranz des Revaler Goldschmiedes Hans Ryssenberg von 1474 (R. Hausmann, Der Silberschatz der St. Nikolaikirche zu Reval. Mitteilungen XVII S. 213 ff. Vgl. auch v. Nottbeck u. Neumann, aaO. S. 99 n. 11). Erwähnung tun, so sind wir mit der kurzen Aufzählung fertig.
Um so freudiger wird die Entdeckung derartiger Geräte zu begrüssen sein, wenn sie weit von der Heimat in Gegenden verschlagen wurden, wo ihr Vorhandensein nicht vermutet werden konnte. Uber eine solche Entdeckung möge hier berichtet werden. Sie betrifft eine Patene, die sicher, und einen Kelch, der höchst wahrscheinlich aus Livland stammt. Beide gehören gegenwärtig der Kirche zu Woltershausen bei Harbarnsen, Kreis Alfeld, in Hannover, folglich einer Kirche der ehemaligen Diözese Hildesheim. Die Kunde verdanken wir dem Ortsprediger, Herrn Pastor A. Wedekind, der sich, um über die Person des inschriftlich als Stifter der Patene nachweisbaren Johannes Corever nähere Auskunft zu erlangen, zunächst an das Staatsarchiv zu Hannover gewandt hatte und von diesem an das Rigasche Stadtarchiv gewiesen wurde. Herr Stadtarchivar A. Feuereisen, dem der genannte Herr Pastor zwei Photographien von F. H. Bödeker in Hildesheim mit Genehmigung des Kirchenvorstandes zu überlassen die Güte hatte, bei gleichzeitiger Mitteilung erläuternder Bemerkungen, war damit einverstanden, dass ich die Berichterstattung übernehme. Die beiden auf den Lichtdrucktafeln I. u. II. vervielfältigten Photographien und weitere von Herrn Pastor Wedekind auf bezügliche Anfrage freundlichst erteilte Auskünfte ermöglichen eine genügende Beschreibung.
1.Die Patene.
Die wie üblich tellerförmige Patene misst 16 cm. im Durchmesser, die Vertiefung in der Mitte ist als Vierpass gebildet und glatt gearbeitet, nur die Zwickeln weisen graviertes Palmettenornament auf. Das Interesse konzentriert sich auf die am Rande umlaufende Inschrift. Auf vertieftem und gestricheltem Grunde ist sie erhöht in zierlichen gotischen Minuskeln sauber graviert. Ausgehend von dem das Schriftband beiderseits überragenden, von einem Doppelkreise umrahmten Weihekreuze, dem sog. Signaculum, lautet sie:
Johannes corer decanus ofiliencis comparavit hune calicem orate pro eo
Die Worte sind durch Rosetten und Punkte getrennt. Da die Abbildung (Tafel I) die Schrift gut erkennen lässt, konnte von einem Faksimiledruck an dieser Stelle Abstand genommen werden. Die Patene wiegt gegenwärtig 250 Gramm, sie ist aber, wie Herr Pastor Wedekind mitteilt, infolge einer neuerdings stattgehabten starken Vergoldung viel schwerer geworden als sie zuvor gewesen war. Dank der Inschrift ist über die Persönlichkeit des Stifters jeder Zweifel ausgeschlossen. Bekannt als Dekan der Öselschen Kirche war Johannes Corever oder Correver bisher aus zwei notariellen Urkunden, von 1426 Juli 9 und 1428 Febr.6, in denen er für gewisse die Öselsche und Dörptsche Kirchen betreffende Angelegenheiten als Zeuge erwähnt wird (Liv-, Est- u. Kurl. ÜB. VII n. 501). Wenn es sich jedoch dabei um Vorgänge handelt, die sich geraume Zeit vorher (um 1400 oder kurz zuvor) ereignet hatten und er seine Aussagen nicht persönlich macht, sondern ein Dritter über diese referiert, so ist anzunehmen, dass er, gleichwie der unmittelbar vorher genannte Propst Johannes Lotzentyn, bereits verstorben war. Der Herausgeber dieses Bandes des Urkundenbuchs, H. Hildebrand, bezeichnet ihn im Register, ohne ein Fragezeichen zu setzen, als verstorben; ob er hierzu durch Schlussfolgerung berechtigt zu sein vermeinte, oder ob Correver im Text der bloss auszugsweise mitgeteilten Urkunde mit dem bei der Nennung von Verstorbenen üblichen Zusatz „bonae memoriae" erwähnt wird, ist nicht ersichtlich. Aber auch noch ein anderer Umstand erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Correver in der Tat bereits vor 1426, dem Jahre der ersten notariellen Urkunde, namentlich spätestens 1423 gestorben sein dürfte. In diesem Jahre erscheint nämlich Johann v. Del wich als Öselscher Dekan (L. Arbusow, Livlands Geistlichkeit, S.-A. S. 29 f.) ohne dass sich von seinem Vorgänger CoiTever, sei es in höherer geistlicher Würde oder sonst, fernerhin eine Spur gefunden hätte. Viel früher als 1423 kann indes Correver nicht gestorben sein, denn in einer Urkunde von 1416 Mai 1, die im demnächst erscheinenden Bande der „Livländischen Güterurkunden" (Urk. n. 192.) veröffentlicht werden wird, fungiert „her Johan Korever, deken der kerken to Ozel" als Vermittler in einem Vergleich zwischen der Witwe des Claus Korever und deren Kindern, einerseits, und Gotschalk von der Pale, andererseits, in betreff strittiger Grenze und der Seen zu Lappejarve. Ausgestellt ist die Urkunde in „Claws Koreveren hove by der Lappejarve", heute Lappier im Kirchspiel Dickein und Wolmarschen Kreise. Da zu Mittelsmännern in privatrechtlichen Transaktionen regelmässig nahe Verwandte erkoren wurden, so ist anzunehmen, dass der verstorbene Claus Korever und der Dekan Johann Brüder waren. Ausser im Erzstift Riga lassen sich die Korevers auch noch im Stift Ösel-Wiek als landsässiges Vasallengeschlecht nachweisen (Liv-, Est- u. Kurl. ÜB. X n. 147.). Das Wappen zeigt einen Querbalken, oben zwei Rauten, unten eine (Livländische Güterurkunden Taf. VI n. 7 u. 8.). Durch die Ähnlichkeit des Wappens mit dem der Orgies und Orgies v. Rutenbergs 3 Rauten (2. 1) wird die Vermutung nahe gelegt, dass beide Familien eines Stammes gewesen seien. Da der Name auch Korver geschrieben wird, so könnte ein Zusammenhang mit dem im niederdeutschen Sprachgebiet nicht seltenen Namen Korver (= Körber oder Korbmacher) gesucht werden.
Aber schon die überwiegenden Namensformen Korever, Corever, Correver (Bs finden sich auch die Formen Korover und Korwer. AaO., Personenregister) lassen erkennen, dass ein solcher Zusammenhang nicht vorliegt. Wie viele andere in den ersten Jahrhunderten der Kolonisation Livlands hier ansässig gewordene deutsche Geschlechter werden auch die nachmaligen Korevers sich nach einem ihrer Lehngüter genannt haben. Das auslautende ver (= were) weist auf das livische oder estnische Sprachgebiet. Nach dem gesagten dürfen wir die Patene dem 1. Viertel des 15. Jrh. zuschreiben und in ihr folglich das älteste bisher bekannt gewordene livländische Altargerät erblicken. Als livländisch glaube ich die Patene nicht nur in Anbetracht der Person ihres Stifters, sondern auch mit Rücksicht auf ihre Herkunft aus einer livländischen Kirche, ansprechen zu dürfen. Denn wenn schon kein Grund zur Annahme vorliegt, dass Korever Beziehungen zum Stift Hildesheim gehabt habe, die ihn veranlasst haben könnten, Patene und Kelch für eine Kirche dieser Diözese zu stiften, so dürfte aus dem Umstände, dass der Kelch wohl jedenfalls um einige Jahrzehnte jünger ist als die Patene, er also nicht der in der Patenenumschrift erwähnte Kelch sein kann, er aber gleichwohl, wie sich zeigen wird, höchst wahrscheinlich aus Livland stammt, die Schlussfolgerung zu ziehen sein, dass Kelch und Patene, ohne ursprünglich zusammengehört zu haben, doch schon seit langer Zeit, wahrscheinlich seit Jahrhunderten, vereinigt gewesen sind und durch das gleiche Schicksal aus Livland, namentlich wohl aus dem Stift Ösel-Wiek, nach der Diözese Hildesheim verschlagen wurden.
2.Der Kelch
Der Kelch kennzeichnet sich auf den ersten Blick als ein tüchtiges Werk der spätgotischen Goldschmiedekunst. Die gesamte Höhe beträgt 22 cm., der Durchmesser der Cuppa am oberen Rande 11 cm., der des Fusses 16—17 cm., das Gewicht beläuft sich auf 550 Gramm. Gleichwie die Grössenverhältnisse von denen der uns erhaltenen livländischen Kelche nur unwesentlich abweichen, ist auch das Gewicht ungefähr das durchschnittliche.
Das Gewicht der übrigen Kelche schwankt zwischen 369 und 655 Gramm. Im Aufbau und in der Anordnung der Glieder hat sich der Meister streng an die Tradition und die Stilformen seiner Zeit gehalten. Aber auch darin zeigt er sich als ein Meister seiner Zeit, dass er in den Einzelheiten der Ausführung nicht in blosses Kopieren gegebener Vorbilder verfiel.
Die Grössenverhältnisse der einzelnen Teile harmonieren bestens, die Ornamentierung ist massvoll und zeugt von ausgebildetem Stilgefühl. Die Cuppa ist in- und auswendig glatt gearbeitet, nur der Übergang zum Ständer ist mit Blattwerkornament verziert. Der obere Teil des sechskantigen Ständers zeigt auf den sechs Flächen in gotischen Minuskeln auf gestricheltem Grunde die sechs Buchstaben des Namens iljefus. Im weit ausladenden Knauf (Nodus) wechselt durchbrochen gearbeitetes Masswerk mit stärker vorspringenden übereck gestellten viereckigen Zapfen (Rotuli) in je sechsfacher Wiederholung. An den Zapfen waren nur die teilsleeren, teils mit Blei oder Kitt gefüllten Öffnungen oder Fassungen vorhanden, sie haben neuerdings Einlagen aus Lapis lasuli erhalten. Unter dem Knaufe entspricht ein kurzes Stück des Ständers dessen oberem Teile. Auf seinen sechs Seiten steht in gotischen Minuskeln ö (irgo) maria. Ein kräftig profiliertes Gesims schliesst den Ständer ab. Leicht geschweifte Flächen in glatter Arbeit bilden den Übergang zu dem als Sechspass mit spitzwinkeligen Einlagen gebildeten Fusse, dessen senkrecht abfallender Rand ausser durch Rundstäbe und Hohlkehlen von einem durchbrochen gearbeiteten Gitterwerk zierlicher Vierpässe belebt wird. Der Untersatz des Fusses ladet weiter aus und ist glatt gearbeitet. Auf meine Anfrage in betreff etwaiger Meister- und Beschauzeichen — das Vorhandensein eines Beschauzeichens war mit Rücksicht auf das mutmassliche Alter des Kelches wenig wahrscheinlich — erhielt ich von Herrn Theodor Blume, Goldschmied in Hildesheim, durch Herrn Pastor Wedekinds freundliche Vermittlung die Mitteilung: ein Meisterzeichen sei gegenwärtig nicht vorgefunden worden, doch wäre, als der Kelch vor einigen Jahren leider von unkundiger Hand ausgebessert und ein Stück der Cuppa entfernt wurde, an diesem seines Erinnerns ein Zeichen vorhanden gewesen. Auf der Unterseite des Fusses ist in gotischen Minuskeln (Gitterschrift) folgende (auf Tafel III nach einer von Herrn Pastor Wedekind mir gütigst zugesandten Pause faksimilierte, hier jedoch in drei Abschnitte zerlegte) am Rande umlaufende Inschrift zu lesen:
gof * gebe * eüe 9)* fort * * eöige * pin * öe * fteffm * MIe£ * nicfjl * lef * Bi * alle * gofces * fjiligro * io * eötgen * Üfttti * fiti *.
9)Die vom Stecher versehentlich wiederholten drei letzten Buchetaben des vorhergehenden Wortes sind durchstrichen.
Wenn zum Schutze des Kircheneigentums, vorzüglich um einem Sakrileg vorzubeugen, der Zorn Gottes angedroht wurde, war es üblich, auch einzelne Heilige zu nennen, wobei nächst den besonders genannten Heiligen (nach dem Beispiel der Papst Urkunden regelmässig ist. Peter und Paul) bisweilen am Schluss auch Alle Heiligen (Omnes Sancti) erwähnt wurden (So: „ . . . . sub indignatione omp. Dei, b. Marie virg., b. Michaelis archang., bb. app. Petri, Pauli et Bartholomei ac Omnium Sanctorum." ÜB. (2) I n. 100.). Indes werden nach dem klaren Wortlaut der Inschrift am Kelche Alle Heiligen in diesem Sinne hier nicht erwähnt, vielmehr richtet sich, unter alleiniger Anrufung Gottes, der Fluch gegen solche, die den Kelch nicht bei Allen Heiligen sein (d. h. bleiben) lassen. Hierdurch wird es wahrscheinlich, dass der Kelch zu einem Altar oder einer Yikarie Aller Heiligen (Omnium Sanctorum) gehört habe (Herr P. Stephan Beissel S. J. in Luxemburg, der durch zahlreiche Schriften als ausgezeichneter Kenner der kirchlichen Kunst des Mittelalters). Wie man es häufig findet, ist das eine Bogenfeld des Kelchfusses mit der Kreuzigungsgruppe geschmückt, rechts (vom Gekreuzigten gerechnet) wie üblich die Gottesmutter, links Johannes. Nur der Heiland ist nimbiert, die Füsse sind ohne Suppedaneum mit einem Nagel angeheftet. Infolge der starken Verkürzung ist die Gruppe auf der Abbildung (Tafel I) nicht recht kenntlich. Von hohem Wert für die Altersbestimmung des Kelches und zur Feststellung seiner Herkunft sind zwei den Bogenfeldern zu beiden Seiten der Kreuzigungsgruppe aufgelegte, unterhalb mit kleinen Haspen befestigte Wappenschilde aus vergoldeten Silberplättchen. Wie Herr Theodor Blume, Goldschmied in Hildesheim, Herrn Pastor Wedekind mitteilt, sind die Figuren mit dem Stichel eingegraben, das Metall ist ausgehoben und die Figuren sind dann wieder mit Email gefüllt gewesen. Die Farbe liess sich indes an den vorhandenen Resten nicht mehr feststellen auch scheint das Email ursprünglich nicht im Feuer gewesen zu sein. Die auf Veranlassung des Herrn Pastors Wedekind angefertigten Pausen der beiden Wappen sind hier in natürlicher Grösse faksimiliert.
Das erste Wappen (Fig. 1), von der Kreuzigungsgruppe gerechnet zur Rechten, lässt sich dank seiner auffallenden und höchst seltenen Wappenfigur unbedenklich dem alten livländischen Geschlecht v. Wettberg zuweisen, dessen Name auch Wetberg, Wetberch, Wedtberch, Wedbergk, Wedberg, Weddeberch, Wedeberck und Wedebergen geschrieben wird (Vgl. das Personenreg. zum UB). Da das in phantastischer Kombination gebildete Wappenbild nicht leicht anzusprechen ist und die u. a. in der Est- und Livländischen Brieflade IV S. 212 Taf. 29 n. 14 angenommene Blasonierung „wachsende Fledermaus" Bedenken erregt, wandte ich mich an den Präsidenten der Sektion für Genealogie, Heraldik und Sphragistik in Mitau, Baron Alexander Rahden. Nach seiner gütigst erteilten Auskunft wäre das Wappen als „Adlerflug mit Wolfskopf, die mit Kleestengeln belegten Saxen aufwärts" zu blasonieren. Meine anfängliche Meinung, dass der Kopf vielleicht für einen Rüdenkopf gelten könne, wurde durch den Hinweis, dass die ausgeworfene Zunge und die spitzen Ohren charakteristische Erkennungszeichen des Wolfes seien, in überzeugender Weise widerlegt, auch ist Baron Rahdens Auffassung, dass die Kleestengel den Adlerflug charakterisieren und wir es mit einer Fledermaus nicht zu tun haben können, durchaus einleuchtend (Baron Rahden legt auf den Adlerflug Gewicht, indem er bemerkt, dass mit Menschen- oder Tierköpfen kombinierte Adler häufig vorkommen, mit Tierköpfen ornamentierte Adlerflüge hingegen äusserst selten. Anlangend die Fledermaus wird bemerkt, dass sie zwar in diesem Falle, nicht aber an sich ausgeschlossen erscheine, sie finde sich u. a. in den Wappen der Cor in Frankreich, der Trippel in Schaffhausen sowie als Helmzier bei den kurländischen v. d. Howen).
Es ist natürlich, dass eine so seltene Wappenfigur in späterer Zeit leicht missverstanden werden konnte und verbildet wurde (Vgl. 0. A. v. Klingspor, Baltisches Wappenbuch Taf. 127 n. 5.).
In Livland lassen sich die Wettbergs vor der 2. Hälfte des 15 Jrh. nicht nachweisen, zunächst begegnen sie uns in den Ordensgebieten Harrien-Wierland und im Stift Ösel-Wiek, gelangten aber hier schnell zu Macht und Ansehen (Tgi, das? Personenreg. zum UB. und zur Est- u. Livl. Brieflade), in Kurland erscheinen sie erst während des 17. Jrh. (Wie Baron Rahden mitteilt, ist die Herkunft der kurl. Wettbergs aus Ösel zweifelhaft; im 18. Jrh. führten sie bereits das bei Klingspor abgebildete Wappen (halber geflügelter silberner Wolf in Rot), kombiniert mit dem der westfälischen Familie (roter Ochsenkopf in Silber).
Der zweite Schild, links von der Kreuzigungsgruppe, zeigt einen bekrönten leopardierten Löwen mit aufgeschlagenem Doppelschweif. So wie der Geschichte der Heiligen Verehrung bekannt ist, hatte die Güte, auf meine Anfrage sein Urteil dahin abzugeben, dass der Kelch mit jener Inschrift in der Tat zu einem Allen Heiligen gewidmeten Altar gehört zu haben scheine. Zugleich wurde ich auf ähnliche Inschriften in Büchern mittelalterlicher Kirchen- und Klosterbibliotheken hingewiesen, von denen bei W. Wattenbach (Das Schriftwesen, 3. Aafl-, Leipzig 1896, S. 527 ff.) die Bede ist.
Das ist nun zwar ein häufig vorkommendes Wappenbild, aber wenn schon die Zusammenstellung mit dem Wettbergschen Wappen dafür spricht, dass es das Wappen des alten livländischen Yasallengeschlechts der Üxkülls sei, so wird diese Annahme dadurch bedeutend unterstützt, dass die an sich ungewöhnliche Stellung des Löwen, der regelmässig aufgerichtet (steigend) oder langgestreckt und schreitend, hier aber auf allen vier Pranken stehend erscheint, noch dazu, ohne dass der Schild gelehnt wäre, auf dem vorderen. Schildrande, sich gerade so in einigen Wappensiegeln der Üxkülls in der 2. Hälfte des
- Jrh. Findet (So (Jonrad Üxküll 1456 Aug. 4, Est- u. Livl. Brieflade IV S. 208 Taf. 58 n. 8, ferner Heinrich Üxküll 1477 Dez. 13 u. Beinhold Üxküll 1488 Aug. 15, Livland. Gürterurkunden S. 481 f. n. 522, Taf. VII S. 541
- 583, Taf. VIII n. 5. Über die weitere Entwickelang des Üxküllschen Wappens vgl. Astaf von Transehe, (Mitauer) Jahrb. f. Genealogie 1899 S. 153 f.).
Die Üxkülls waren bekanntlich in allen Gebieten Alt-Livlands nördlich von der Düna reich begütert, es wird aber im Auge zu behalten sein, dass ihr relativ grösster Güterkomplex im festländischen Teile des Bistums Ösel-Wiek belegen war. Hier waren sie während des letzten Jahrhunderts der bischöflichen Herrschaft das mächtigste Vasallengeschlecht. Bei der Altersbestimmung von Wappendarstellungen leistet die Schildform gute Dienste, wobei indes die gangbaren Handbücher der Heraldik mit Vorsicht zu benutzen sind, da es sich erweist, dass gerade in dieser Beziehung die Anschauungen der Fachmänner stark auseinandergehen und unser eigenes sphragistisches Material, das dank den zugehörigen Urkunden von Fall zu Fall unbedingt sichere Zeitbestimmungen ermöglicht, für das 15. Jrh. genügend reichhaltig ist, um für die verschiedenen Stilformen einigermassen zuverlässige Zeitgrenzen ziehen zu können. Die Form der Schilde an unserem Kelch gehört einer aus mehreren Spielarten bestehenden Gruppe an, für welche ich die einen verkehrten, meist sehr flach gedrückten Kielbogen bildende Spitze als gemeinsames Kennzeichen nehmen möchte. Das sind schon Phantasieformen, mit denen eine neue Zeit anhebt, obwohl sich in Livland daneben die älteren Formen in überwiegender Menge behaupteten. Das m. W. früheste Beispiel eines Schildes der erwähnten Gruppe bietet das Siegel des Peter von der Borch v. 1448 (Bar. Toll u. Sachssendahl, Brieflade IV Taf. 47 n. 20.), mehrfach findet sich diese Form seit den 60 er Jahren. In dieser Spielart sind indes der vordere und hintere Schildrand an den Hauptrand im rechten Winkel noch gradlinig angesetzt, nur das untere Drittel des Schildrandes wird von den erwähnten geschwungenen Linien gebildet (Es ist die Schildform, die Ströhl, Herald. Atlas, Stuttgart 1899, Taf. V n. 4, wie mir scheint wenig zutreffend, den französischen Dreieckschild des 15. Jrh. nennt, während ihn Sacken, Heraldik, 7. Aufl., Leipzig 1906, S. 5 f., Abb. 5, als eine seit dem 16. Jrh. sehr allgemeine Ex>rm bezeichnet.). Unsere beiden Wappenschilde stellen bereits einen weiteren Schritt auf dem Wege der Entwicklung zum Phantasie- oder Zierschilde dar (Ähnlich wie bei Ströhl Taf. V n. 7, nur dass hier die Oberecken abgestumpft und die Linien stärker geschwungen sind. Als terminus a quo wird das Ende des 15. Jrh. angenommen.). Das älteste mir bekannte einheimische Wappensiegel mit dieser Schildform ist das des Ewert von der Lippe v. 1447 (E. v. Nottbeck, Siegel aus dem Revaler Rathsarchiv, Taf. 6 n). hier liegt eine fast vollständige Ubereinstimmung der Schildform vor. Diese bleibt aber auch in der Folgezeit in Livland eine Seltenheit und eine so grosse Übereinstimmung der Linienführung ist mir in den späteren Beispielen nicht begegnet. Ich bin daher geneigt, die Anfertigung unseres Kelches nach dem in Rede stehenden Siegel zu bestimmen, sie jedoch eher früher als später zu setzen, deshalb namentlich, weil die Wappen noch verhältnismässig gute heraldische Formen zeigen, die ich, wenn die Schildform nicht dem entgegenstände, der 1. Hälfte des 15. Jrh. zuweisen würde. Anlangend die beiden Stifter des Kelches — dass es ihrer zwei waren, darf aus den zwei Wappen unbedenklich gefolgert werden — so lässt sich wohl mit Gewissheit sagen, dass sie den Geschlechtern v. Wettberg und v. Üxküll angehörten. Ferner macht es die Vereinigung der Wappen im höchsten Grade wahrscheinlich, dass sie in Livland ansässig waren, namentlich wohl, wofür auch die Patene spricht, im Stift Ösel-Wiek. Folglich wird die Stiftung für eine dortige Kirche erfolgt sein, nach dem Stile der Wappenschilde zu urteilen, in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Wahrscheinlich ist ferner, dass der Kelch zu einem Altar oder einer Vikarie zu Ehren Aller Heiligen gehört habe, wobei es jedoch fraglich erscheint, ob diese Widmung die ursprüngliche sei. Der Zweifel wird dadurch nahegelegt, dass der Schriftcharakter der Inschriften am Ständer, einerseits, und am Fusse, andererseits, merkliche Verschiedenheiten erkennen lässt, doch kann die zuletzt erwähnte Inschrift nur wenig jünger sein. Beim Forschen nach den Stiftern wird man in Anbetracht der beiden Wappen zunächst an ein Ehepaar zu denken geneigt sein; es ist indes ebensowohl möglich, dass die Wappen anderen Personen, die sich, wie das oft geschah, zu einer kirchlichen Stiftung zusammengetan hatten, angehört haben könnten, — Personen geistlichen oder weltlichen Standes. In dieser Beziehung sind wir z. Z. auf blosse Vermutungen angewiesen. Häufig begegnen uns Geistliche als Stifter von Altären und Vikarien, meist Kanoniker. Der für uns zunächst in Betracht kommenden Wiek-Öselschen Stiftsgeistlichkeit haben mehrere Personen aus den Geschlechtern v. Wettberg und v. Üxküll angehört. Ein Wiek-Öselscher Domherr aus dem Geschlecht der Üxküll ist in der 2. Hälfte des 15. Jrh. zwar nicht nachweisbar, wenn jedoch um 1458 ein Dorpater Domherr dieses Namens bekannt ist (87 L. Arbusow, aaO. S. 177), so ist durch zahlreiche Analogiefälle die Möglichkeit nahegelegt, dass er auch dem Öselschen Domkapitel angehört habe. Unter den Trägern des Namens Wettberg wäre in erster Linie Peter v. Wettberg zu nennen, der von 1456 bis 1471 als Wiek-Öselscher Domherr, von dann an bis zu seinem 1491 erfolgten Tode als Bischof dieser Diözese nachzuweisen ist (Ebd. S. 186). In seinem Majestätssiegel,das sich an Urkunden bisher nicht vor 1486 gefunden hat, dessen Stempel aber, wie kaum bezweifelt werden kann, 1471 oder bald danach angefertigt sein wird, stimmt die Form des einen Wappenschildes mit der erwähntermassen seltenen Form der Schilde an unserem Kelch fast vollkommen überein (Brieflade IV Taf. 37 n. 13, nach Brotze, Sylloge diplomatum I S. 102. Die Kopie erweist sich als richtig. Auch hier zweifellos nicht ein halber oder gar wachsender Wolf oder sonstiges geflügeltes Tier, sondern Flug (Adlerflügel) mit Tierkopf). Freilich müsste, wenn der Wappenschild des Kelches der seinige wäre, die Stiftung vor 1471, dem Jahre seiner Bischofswahl, erfolgt ein, indem das Wappen andernfalls mit den Abzeichen der bischöflichen Würde geschmückt worden wäre. Über die Frage, wann und durch welche Umstände der Kelch nach Wolterhausen oder in die Hildesheimer Diözese gelangte, dürften Nachforschungen in den dortigen Archiven am ehesten Aufschluss geben. Unter den Personen, deren Beziehungen zum Stift Hildesheim in jener Zeit urkundlich erwiesen sind, zieht unwillkürlich Simon von der Borch die Aufmerksamkeit auf sich. Dieser vielgeschäftige, aus zahlreichen Händeln und Prozessen bekannte Prälat bekleidete kurz vor 1477, in welchem Jahre er Bischof von Reval wurde, gleichzeitig die Würden eines Propstes von Ösel und zur Lippe, eines Scholasters zu Hildesheim und eines Domherrn zu Dorpat (L. Arbusow, aaO. S. 21.). Merkwürdigerweise handelt es sich in einem seiner Prozesse um die angebliche Entwendung eines Kelches. Enthalten ist die urkundliche Nachricht in dem der Bibliothek der St. Nikolaikirche zu Greifswald gehörigen Kopial- und Konzeptbuch des Johann Meilof. Das bezügliche Schriftstück, von dem durch freundliche Vermittelung des Herausgebers der Ersten Abteilung unseres Urkundenbuchs, Herrn Dr. jur. August v. Bulmerincq, eine Photographie erlangt werden konnte, erweist sich als ein undatiertes Konzept von Meilofs Hand, welches, da Meilofs Aufenthalt und Anwaltstätigkeit in Livland von 1470 bis 1476 währte (Ebd. S. 115. Livl. Güterurknndeo n. 471 A. 2.), in diese Zeit fallen dürfte. Der ungenannte Propst, an den es gerichtet ist, war zweifellos kein anderer als eben jener Simon von der Borch, der ja erwiesenermassen 1476 und 1477 die Würde eines Propstes innehatte. In dem ziemlich umfangreichen Schriftstück werden juridische Belehrungen und prozessualische Ratschläge erteilt, für die Kenntnis des Sachverhalts sind sie von keinem Belang. Angehängt ist der als „forma libelli" überschriebene Entwurf einer Klageschrift. Nach alter prozessualischer Regel beschränkt sich der Kläger, um die ihm obliegende Beweislast zu erleichtern, auf das Vorbringen des durchaus Notwendigen. Hier genügte die Klagebehauptung, dass der Öselsche Kanoniker Ludolph Nagel dem Kläger verleumderischerweise die Begehung eines Sakrilegs, nämlich die Entwendung eines Kelches aus der Kirche, nachgesagt habe. Daraufhin wird bei dem (ungenannten) Bischof von Ösel dessen Bestrafung beantragt. Folglich erfahren wir über den Gegenstand der Klage kaum mehr als bereits aus H. Hildebrands Notiz in seinen handschriftlichen Sammlungen für das Urkundenbuch bekannt war. Allenfalls wäre noch zu bemerken, dass Simon von der Borch sich in der Klageschrift lediglich als „scholasticus ecclesie Hildensemensis" einführt, ohne Nennung seiner sonstigen Würden. Das alles ist hinsichtlich der etwa zu vermutenden Beziehungen zwischen unserem Kelch und dem Gegenstande der Klage offenbar ergebnislos und so scheint es, dass das Schicksal des Kelches unaufgeklärt bleiben wird. Einstweilen ist zu vermuten, dass nach der Abstellung des katholischen Kultus und dem Aufhören der Stiftung, zu der Kelch und Patene gehört haben, diese, gleichwie zahllose andere Kirchengeräte, verkauft und weithin, zunächst vielleicht in eine auswärtige katholische Kirche, verschlagen wurden. Nicht zu bezweifeln ist, dass der damalige Erwerber sich für den nunmehr rechtmässigen Eigentümer gehalten hat. Im entgegengesetzten Falle hätte er schwerlich verabsäumt, von der Patene die Inschrift und vom Kelche die Wappen zu beseitigen. Das hätte sich leicht ausführen lassen.
Wüstung Niensen
(Text: Die Geschichte des Kreises Alfeld von Paul Graff aus dem Jahre 1928)
(AK) Niensen, das heißt Neuhausen, soll ein Filial von Graste gewesen sein. Die Leute wären schon vor der Reformationszeit nach Woltershausen gezogen. Man findet darum im Erbregister unter Woltershausen noch mehrere Lieferungen an die Kirche, Küster usw. in Graste aufgeführt. Auch hätte Lamspringe hier 30 Morgen gehabt (Meinberg S. 41 ff.). Nach dem Erbregister hatte Lippold v. Stöckheim den Nienser Zehnten und ließ in nach Irmenseul fahren.
Noch jetzt erinnern in der Woltershäuser Feldmark an das einstige Dorf die Flurorte. Niensen, Nienser Feld, Nienser Ohrt.
Wüstung Sollensen
(Text: Die Geschichte des Kreises Alfeld von Paul Graff aus dem Jahre 1928)
(AK) Die älteste Nachricht über Sollensen („Solenhusen“) oder „Zollensen“ stammt aus dem Jahre 1178. Damals bestätigt Bischof Adelog im Schutzbrief für Lamspringe auch 2 Hufen in „Solenhusen“ (Janicke I 387, ebenda I 475, Hoogeweg II 500). Andere Grundherren waren die v. Dalem, Gandersheim und v. Wrisberg (Hoogeweg III 1156, IV 946, V 689). Schon 1327 heißt das Dorf des „ehemalige“ („quondam“); vgl. Jahresbericht für Natur und Kunst; Grote S. 25; Koken, Winzenburg S.132. Nach dem Erbregister liegt der „Sollenser Anger“ unter dem Wandelstein. Die Feldmark werde zu Woltershausen gebraucht, der Zehnte komme nach Lamspringe, gebe vom Morgen 3 Himten. Im Jahre 521 wird in Lamspringer Nachrichten (f. Wedekind a.a.D. S. 34) Sollensen eine wüste Stätte genannt. Im Erbregister heißt esunter dem Jahre 1587, dass das Kloster 8 Hufen zehntfreies Land vom verwüsteten Hofe Sollensen 8 Meiern zu festgesetztem Zins, meistens je 4 Walter Weizen und Roggen von der Hufe eingetan habe. Sie heißen Heinrich Harenberg, Jobst Grote, Curdt Beies, Henni Wetken, Bartholomäus Rossi (?), Henni Meibom, Curdt Elsen, Joachim Lawen. Da einige Einwohner aus Woltershausen nur in der ehemaligen Sollenser Feldmark Land haben, hat man wohl angenommen, dass dieses Nachkommen der dort früher Ansässigen seien.
Über den Fortzug der Sollenser nach Woltershausen gibt es zwei Sagen von der Sollenser Glocke:
1. Als die Leute aus Sollensen fortzogen, luden sie die Glocke auf einen Wagen, vor dem sie ein blindes Pferd spannten und es diesem überließen, wohin es die Glocke führte. Weil aber der Schimmel von Bertram in Woltershausen gekauft war, zog er die Glocke nach Woltershausen, wo sie noch heute im Turm hängen soll.
2. Bei ihrem Fortzug hätten sie die Glocke in einem Sumpf oberhalb Woltershausen verborgen. Aber ein Woltershäuser Schweinehirte entdeckte sie doch, als sie von den Schweinen aus dem Sumpf herausgewühlt wurde. Diese Sagen werden übrigens auch von Niensen erzählt.(A.K.)
Woltershausen war schon immer ein sehr fortschrittliches Dorf
von Heinrich Schaper
Seit 1906 gab es hier schon ein Elektrizitätswerk in der heutigen Brunnenstraße. Mit einer Dampfmaschine, hergestellt von Heinrich Lanz in Mannheim wurde hier Strom erzeugt. Schuhmacher H.Gerves (Großvater von Helmut Sandvoss) hat die Dampfmaschine bedient.
Es wurde im Jahre 1919 nach dem Anschluss an das Überlandwerk in Gronau geschlossen.
In der Chronik des Überlandwerk Gronau ist der folgende Satz zu lesen:
„Die Gemeinde Woltershausen entschied sich 1919 für den Strom aus Gronau. 1920 folgten ihr Irmenseul und Harbarnsen“.
Auf einem alten Foto ist noch links neben dem Eingang eine Tafel zu erkennen. Auf dieser Tafel war immer angeschrieben, wer im Dorf an diesem Tag dreschen durfte. Wenn alle Bauern gedroschen hätten, hätte das die Dampfmaschine nicht geschafft.
In einer alten Liste, wo alle Dampfmaschinen um die Jahrhundertwende registriert waren, ist auch das Elektrizitätswerk Woltershausen eingetragen.
Wolpertswende |
Papierfabrik |
26.03.1947 |
|||
Wolterdingen (Schwarzw) |
Sägewerk |
1889 |
|||
Woltersdorf (b. Erkner) |
Deutsche Hartsteinwerke GmbH, Kalksandsteinfabrik am Kalksee |
Kalksandsteinfabrik |
1895 |
||
Woltershausen (ü. Alfeld, Leine) |
Elektrizitätswerk |
||||
Wolthusen |
Getreidemühle und Sägewerk |
vor 1860 |
|||
Woltrup |
Ziegelei |
Dampfmaschine |
|||
Woltrup-Wehbergen (Kr. Osnabrück) |
Ziegelei |
Dampfmaschine |
|||
Wolverhampton (England) |
Wäscherei |
1925 |
|||
Wolverhampton (England) |
Wäscherei |
1929 |
|
Franz Leopold Dröge bewirtschaftete von 1839-1863 das Gut Röderhof
Heinrich Marheineke blätterte in der Chronik des Gutes und fand wichtige Hinweise
von Heinrich Schaper
Röderhof/Woltershausen. Lange Zeit herrschte Stillschweigen über den Dröge'schen Hof in Woltershausen. Nachdem die damaligen Eigentümer Arthur und Annie Dröge am Ende des Ersten Weltkrieges nach England übergesiedelt waren, wurde nicht mehr über sie gesprochen.
Erst nachdem die Tagebücher von Annie Dröge auf einem Dachboden in England gefunden waren und der englische Journalist Charles Yates darüber ein 260-seitiges Buch mit dem Titel „Diary of Annie's war"geschrieben hatte, wurde in der englischen und deutschen Presse (wie auch in der Alfelder Zeitung) viel darüber berichtet. Aus allen Berichten ging hervor, dass die Dröges wohlhabende und angesehene Leute in Deutschland waren. Sie waren erfolgreiche Ökonomen und in den späteren Generationen erfolgreiche international anerkannte Kaufleute.
In den Nachforschungen nach den Vorfahren der Dröges aus Woltershausen erschien des Öfteren der Name „Röderhof“ . Franz Leopold Dröge war es, auf dessen Veranlassung im Jahre 1857 die Ahnentafel der Dröges angefertigt wurde. Neben einem in England aufgefundenen Dokument, wird auch im Archiv der Kirche zu Winzenburg diese Ahnentafel aufbewahrt, wo sie von Hilko Gatz entdeckt wurde. Darauf angesprochen, wurde auch bei dem derzeitigen Seniorchef des Gutes, Heinrich Marheineke, das Interesse geweckt. Er blätterte in der Chronik vom Gut Röderhof und fand dabei folgendes heraus.
Franz Leopold Dröge, der am 21. Mai 1789 auf dem Landgut in Woltershausen geboren war, entstammte einer Ministerialenfamilie, Seine Vorfahren hatten als Amtsschreiber und Amtsvögte gedient , hauptsächlich im Amt Winzenburg. Verheiratet war Dröge mit Adolphine Menzhausen, einer Tochter des Hof- und Regierungsrats Werner Ignatz Menzhausen in Hildesheim. Aus der Ehe gingen 13 Kinder hervor, vier Söhne starben im Kleinkindalter.
Er pachtete laut Pachtvertrag vom 3. April 1839 das Gut Röderhof bei Hildesheim zu einem Pachtentgelt von 525 Reichstalern in Gold.
Mit dem Cammer-Commissär Franz Leopold Dröge übernahm ein Pächter Röderhof, der hohes persönliches Ansehen genoss. Er galt allgemein als gut situiert und hervorragender Ökonom. Häufig wurde er - auch vom Bischöflichen General Vikariat - als Sachverständiger in landwirtschaftlichen Fragen hinzugezogen.
Als gleichzeitiger Pächter der Staatsdomäne Marienburg (ab dem 1. Mai 1819) und des Gutes Röderhof konnte Dröge als die dominierende Persönlichkeit der Mitwirkung vom 1. August 1840 geschaffenen Parochialverbindung Egenstedt/Röderhof-Marienburg gelten. Das kam zum Ausdruck, in dem ihm und seiner Familie ein besonderer „Kirchenstand“ im Chorraum der neu erbauten Egenstedter Pfarrkirche (geweiht am 5. Juni 1843) eingeräumt wurde. Die von ihm genutzte Kirchenbank im Wert von etwa 20 Reichstalern, dazu ein Velum im Wert von 10 Reichstalern waren Dröges Geschenk an die neue Pfarrgemeinde.
Neben umfassenden Meliorationen wurden auf dem Gutshof umfangreiche Um- und Neubauten vorgenommen, teilweise auf Dröges eigene Kosten. Nach Berichten des Architekten Schütte aus den Jahren 1837 und 1838 befanden sich die Baulichkeiten in einem sehr vernachlässigten Zustand, die Dächer, Fundamentmauern und sämtliche Gefache der Gebäude bedürften dringend einer Instandsetzung. Der alte Schafstall, der noch mit einem Strohdach versehen war, musste vollkommen erneuert werden. Nach Dröges Pachteintritt wurden die nicht länger aufzuschieben Maßnahmen in Angriff genommen, sämtliche Wohn und Wirtschaftsgebäude wurden instandgesetzt und ein neuer Schafstall gebaut.
Besondere Aufmerksamkeit schenkte Dröge den Außenanlagen. Der Hofplatz wurde teilweise, die Miststätte dagegen ganz mit Bruchsteinen neu gepflastert und ein Kanal von aus gehauenen Sandsteinrinnen gelegt, welcher das Quellwasser aus dem großen Garten und dem Keller aufnimmt, wodurch die Gehöfte jetzt trockengelegt waren.
1850 überließ Dröge die Verwaltung der Domäne Marienburg mit Einverständnis der Königlichen Domänenkammer seinem ältesten Sohn Moritz und siedelte nach Röderhof über, dass ihm eine, seinem Alter angemessene Beschäftigung gewährte. Sicher rechnete er dazu die Jagd, die ihm ab dem 1. September 1850 verpachtet worden war. Das Dröge Röderhof zu seinem Alterssitz auserkoren hatte, zeigt nicht nur seine Übersiedlung dorthin, sondern geht auch aus seinen Anträgen um Verlängerung der Pacht hervor: „Mein ganzes Leben ist mit Röderhof verwebt, kein anderer Ort würde mich wie dieser befriedigen, es ist mein sehnlichster Wunsch hier die mir vielleicht vergönnten paar Lebensjahre in Ruhe und Frieden genießen zu dürfen, mit einem Worte, es würde mich unglücklich machen, Röderhof verlassen zu müssen“.
Die Pacht wurde Dröge auf seinen Antrag hin um weitere 12 Jahre (bis 1863) für 850 Reichstaler Preußisch Courant verlängert. Waren es bis dahin vorwiegend wirtschaftliche Gründe gewesen, die er in seinen Gesuchen um Verlängerung der Pacht angeführt hatte, wobei er auf die Vorteile der gemeinsamen Pachtung mit der damaligen Staatsdomäne Marienburg verweisen konnte, so beschränkte er sich 1862 fast ausschließlich auf seine persönliche Situation: „Das Verlassen von Röderhof, mit dem ich so durch und durch verwachsen bin, würde ohne Zweifel Geist und Körper höchst nachteilig beeinflussen, würde gewiss die kurze Spanne Zeit, die ich noch zu leben habe, abkürzen, denn mit 73 Jahren fügt man sich nicht so leicht mehr in neue ungewöhnliche Verhältnisse!"
Darauf konnte das Generalvikariat in der vorgetragenen Weise nicht eingehen, sondern sah sich veranlasst, eine öffentliche Verpachtung vorzunehmen. Zwar wurde Dröge zugesichert, ihn so weit wie möglich zu berücksichtigen, doch war nicht ernsthaft an eine weitere Pachtverlängerung gedacht, da Dröge nicht bereit war, den Pachtwert, den das Gut inzwischen erreicht hatte, zu zahlen. War es doch aus seiner Sicht zum größten Teil sein eigener Verdienst, wenn das Gut in der Folge eine hohe Pacht einbringen würde. Durch manche Maßnahmen, auch solchen, die nicht nur der Vermehrung der Annehmlichkeiten dienten, hatte Dröge nicht unerheblich zur Attraktivität des Röderhof beigetragen und dadurch die Konkurrenz der Pachtliebhaber vermehrt sowie die Erhöhung der Pachtgebote bewirkt.
Zu Beginn des Monats Juli 1862 erschienen in verschiedenen Zeitungen Anzeigen, in denen das Gut Röderhof zur Verpachtung ausgeschrieben wurde, „Pachtliebhaber“ hatten ihr Gebot bis zum 1. September 1862 abzugeben. Daraufhin gingen nicht weniger als 18 Pachtgebote ein, die von 1200-1850 Reichstaler Preußisch Courant reichten. Der Zuschlag wurde einem der beiden Meistbietenden, Hermann Clauditz, erteilt.
Dröge verlor nun jedes Interesse an Röderhof. Schon am 15. Juli 1862 erteilte er seinem Sohn Moritz eine Vollmacht über alle Röderhof betreffenden Angelegenheiten, insbesondere der Übergabe an den neuen Pächter. Er selbst zog sich auf sein Familiengut in Woltershausen, das ihm 1855 von seiner im Alter von 91 Jahren kinderlos verstorbenen Tante als nunmehrigen Familienältesten vermacht worden war, zurück. Mit dem Wechsel in das protestantische Woltershausen verließ Dröge auch seine ungewohnte katholische Umgebung, die er nicht unmaßgeblich mitbestimmt hatte. Nach Röderhof kehrte er nicht mehr zurück. Die „Wahrnehmung auswärtiger Geschäfte“ lehnte er in Rücksicht auf sein hohes Alter ab, dazu zählte auch die ihm immer noch zustehende Vertretung des Gutes in dem noch nicht abgeschlossenen Egenstedter Verkoppelungsverfahren.
In seinem Testament, dass Dröge nach seiner Übersiedlung nach Woltershausen verfasste, gedachte er noch einmal der Gemeinde, mit der er so viele Jahre verbunden gewesen war. Er vermachte der Egenstedter Schule 200 Reichstaler die Aufkünfte dieses verzinslich anzulegenden Kapitals sollten zur Bekleidung hilfsbedürftiger Schulkinder aus Marienburg, Röderhof und Egenstedt verwandt werden.
Dröge starb am 15. Januar 1877 in Woltershausen und wurde, wie seine am 20. April 1869 verstorbene Gemahlin, auf dem Friedhof in Lamspringe beigesetzt. Sein sehnlichster Wunsch, sein Leben an jenem Ort beschließen zu dürfen, der ihm in jeder Hinsicht lieb und teuer geworden war und auf dem Egenstedter Friedhof seine letzte Ruhestätte zu finden, hat sich nicht erfüllt.