(LB) Der Sage nach hatte Graf Cuno als erster die Winzenburg zu Lehen. Einer seiner Söhne, namens Ruckhardt, soll in einer Schlacht bei Iburg in Gefangenschaft geraten und nach Frankreich geführt worden sein. In Verbindung damit läßt die Sage zum ersten Male den Burggeist Hödecken bzw. Hödeken (auch Heideken, Huteken genannt) in Erscheinung treten.

Wegen der Gefangennahme Ruckhardts soll der Geist „viel Wesens und Schreyens über der Winzenburg“ gemacht haben. Hödecken meldete sich immer dann, wenn der Burg oder ihren Bewohnern Unheil drohte. Noch zur Zeit vor rund 300 Jahren hat sich der Burggeist angeblich mit Geschrei und Wehklagen vernehmen lassen, wie er als „unlaugbar und unwiedersprechlich wahr“ bezeichnet wird. Ein Nachkomme des Grafen Cuno mit Namen Riddagus hatte einen Bruder, Cuno der zweite, von dem die Sage zu berichten weiß, daß er sehr geizig gewesen sei und aus Habsucht nach dem Leben seines Bruders getrachtet habe. Diesem Cuno soll der Burggeist sehr oft erschienen sein, in mancherlei Gestalt, und soll immer wieder und wieder bemüht gewesen sein, ihn zum Brudermord zu verleiten, damit neues Unheil über die Burg und ihre Bewohner gebracht werde. Im Jahre 1001 ertrank Graf Hermann 2., des Grafen Dietrich des ersten Sohn, in der Leine. Das Hödecken hatte die Nacht vorher „ein solch Getümmel, Geschrei und wüstes Wesen über dem Hause Winzenburg gehabt, daß man sich nicht genugsam darüber hat verwundern können. Darauf bald des folgenden Tages der Unfall erfolgte.“ Am 2. Januar des Jahres 1088 soll das Hödecken „jauchzend, singend und pfeifend“ über der Winzenburg erschienen sein, absonderliche Geschehen verkündend. Am folgenden Tage ist dann ein kaiserlicher Abgesandter mit einer Werbung zu dem derzeit regierenden Grafen Dietrich dem dritten gekommen und ist von diesem meuchlings ermordet worden. Das gab dem Hödecken natürlich wieder Gelegenheit zu lärmender Anteilnahme. In der Nacht zum 4. Jänner 1088 hat er „gar greulich geheulet und geweinet, aber nach diesem sich lange Zeit nicht mehr sehen und hören lassen.“ Bis zu diesem Falle ist nirgends verzeichnet, in welcherlei Gestalt und Form das Hödecken erschienen ist. Später hat es sich einmal in der Gestalt eines Raben sehen lassen. Als solcher hat er es auf einen Küchenjungen ganz besonders abgesehen, der im übermut einmal mit einem Stein nach ihm warf. Das konnte ihm der Burggeist natürlich nicht verzeihen, und so quälte, foppte und drangsalierte er den Jungen, wo irgend sich nur die Gelegenheit dazu bot. Der Küchenjunge sann endlich darauf, wie er sich an dem bösen Quälgeist rächen könne. Er kam dabei auf den Gedanken, kochendes Wasser bereit zu halten, um ihn damit zu begießen, was ihm nach vielen vergeblichen Versuchen auch gelang. Das war dem Burggeist natürlich zu stark, und er übte furchtbare Rache. Als der Küchenmeister eines Abends die Burg verließ, beauftragte er den Jungen, am anderen Tage früh aufzustehen, die nötigen Vorbereitungen zum Mittagessen zu treffen, insbesondere das Fleisch auf den Herd zu stellen und zu kochen. Dies benutzte der Burggeist zur Befriedigung seiner Rachegelüste. Der Küchenjunge verschlief die Zeit. Bevor er aufstand, begab sich Hödecken in die Küche, reinigte die Töpfe und traf alle Anstalten zur Bereitung eines Mahles. Als der Junge erschien, wurde er von dem boshaften Geiste erwürgt, in Stücke zerhauen und so in die Töpfe getan, die er über das Feuer stellte, worauf er sich „an seinen Ort begab.“

Als der Küchenmeister kam und in dem Kessel Menschenglieder kochen sah, schalt und fluchte er dem Geist. Der aber antwortete: „Lass ab vom Fluchen, damit es dir nicht ebenso geht wie dem Jungen.“ Als der Küchenmeister ein paar Tage darauf beim Fleischbraten war, kam Hödecken und zerdrückte über den für den Bischof und dessen Hofleute bestimmten Bratenstücken abscheuliche Kröten, indem er sagte: „Sieh Koch, für deine Verfluchungen gebe ich dir von meiner Jagd die Bratenbrühe.“ Nachdem der Koch begriffen hatte, was geschehen war, nahm er das Fleisch und schleuderte es gegen den Geist. „Das soll dir nicht ungerochen hingehen“, sagte Hödeken und verschwand. Eines Nachts rief er den Koch unter dem Vorwand, ihm etwas Schönes zeigen zu wollen. Der Koch ließ sich verleiten und betrat eine von Hödeken gelegte Fallbrücke. Die Brücke wich, der Koch fiel in einen Graben und brach ein Bein. Als er in heftigem Schmerz weinte, sprang Hödeken lachend herbei und sprach: „Nun Koch, willst du mich wieder in der Küche mit Braten werfen? Jetzt habe ich die mir angetane Schmach gerächt, und ich hoffe, du wirst mich für die Folge ungeschoren lassen!“

„Dieses ist eine gemeine Rede im Stift Hildesheim, davon mag glauben und halten ein jeglicher soviel er will. Der Küchenmeister hat solches mit großer Beteuerung öffentlich gegen männiglich und beständig ausgesaget und bekandt, so ist auch der Topf, darinnen der Küchenjunge gekochet in der Küche zu Woltingeroda noch Urkündlich vorhanden.“

Der Burggeist der Winzenburg tauchte wieder einmal auf, als Graf Hermann der fünfte Burgherr der Winzenburg war. Gerade mit ihm hatte das Hödecken viel Anlaß zu Sorge und Aufregung, denn Graf Hermann soll ein gar gewalttätiger Mensch und ein Wüstling gewesen sein, der allerlei Untaten beging und wegen eines an einem Grafen Burchard begangenen Mordes bei dem damals herrschenden Kaiser Lothar in Ungnade fiel. Der zog mit großer Heeresmacht vor die Winzenburg, um sie zu belagern und einzunehmen. Es mag hart bei dieser Belagerung zugegangen sein, denn der Kaiser musste ja schon seines Ansehens wegen in den Besitz der Burg gelangen. Die Belagerung war natürlich wieder eine Gelegenheit für das Hödecken, sich auszutoben und allerlei Spuk zu treiben. Mit Heulen und Schreien ängstigte es die Belagerten und wirkte damit lähmend auf ihre Widerstandskraft. Zur Zeit der Abfassung der alten Chronik über die Winzenburg soll noch die Schanze zu sehen gewesen sein, in der Lothar selbst gelegen und die in der großen hildesheimischen Fehde im Jahre 1522 den Braunschweigern die Eroberung der Burg noch bedeutend erleichterte. Später ist an der Stelle viel Pfeileisen und andere Rüstung aufgefunden, was wohl dafür zeugen mag, dass Lothar die Sache sehr ernst meinte. Hermann fiel indes nicht in die Hände des wütenden Kaisers; er wurde von Freunden versteckt, bis der erste Zorn des Kaisers vorüber war. Da er noch jung war und der letzte des gräflichen Geschlechts von Winzenburg, so schenkte ihm Lothar auf viele Fürbitten, insbesondere der des Grafen von Oldenburg, das Leben, ließ aber seine Burg zerstören und einreißen. Er wurde aller vom Kaiser erhaltenen Lehen entsetzt. In einem Vertrag von 1150 wurde dann bestimmt, daß die Burg zwar dem Grafen Hermann zurückgegeben werden mußte, der Hildesheimer Bischof aber Lehnsherr blieb. Im Kloster zu Lamspringe wurde bis zum Jahre 1149 eine Tochter des Grafen Cuno III., Mathildis, erzogen und, wie es heißt, „als ein armes Wayselein erzogen“. Bischof Bernhard, der sich ihrer besonders einnahm, wußte einen an seinem Hofe lebenden Ritter für sie zu interessieren. Mathildis, schön und jung, fesselte durch ihr einnehmendes Wesen den Ritter so, daß dieser sie als Gattin im Jahre 1149 heimführte; er erhielt vom Bischof einen Sitz auf der Winzenburg, den Titel eines Drosten und Hauptmanns derselben und ein Deputat. Wußte Mathildis schon als Jungfrau durch ihr feines Benehmen und ihre Schönheit die Herzen anderer sich zu erwerben, so erschien sie noch edler als Gattin und Mutter. Sie gebar eine Tochter, Anna, der sie nebst ihrem würdigen Gemahl ganz angehören wollte. Doch das kam anders. Sei es nun, daß man dem edlen Ritter sein Glück nicht gönnte, sei es, daß Graf Hermann der jungen Frau Mathildis unehrbare Anträge bei seiner Rückkehr zur Winzenburg machte und von ihr abschläglich beschieden war – genug, eines Morgens im Jahre 1152 fand man den Ritter und seine Gemahlin im Bette tot auf. Es sollen aber die Leute, so des Nachts bei den Schafen und anderem Vieh gelegen, beständig berichtet haben, dass der Geist Hödeke in derselben Nacht, in welcher die grässliche Mordtat vollbracht worden ist, über dem Schloß Winzenburg in der Luft auf dem Turm seinem alten Gebrauch nach viel Heulens und Weinens getrieben und sich in mancherlei Art und Gestalt habe sehen lassen. Ein andermal soll Hermann, obwohl mit der schönen Luthgardis verheiratet, sich aber in die Gattin eines Ritters seiner Gefolgschaft verliebt haben. Der Winzenburger warb lange vergeblich um die Gunst der von ihm so heiß Begehrten. Einer seiner Diener kann dann auf einen teuflischen Einfall. Er schlug dem Winzenburger vor, den Lehensträger mit seiner Gattin nach der Burg zu einer Feier im engsten Kreise einzuladen, den Mann unter irgendeinem Vorwande wegzuschicken, ebenso die übrigen Anwesenden bis auf die Gattin des Lehensmannes, mit der er zusammen weitertrinken solle. Der Diener wolle dann in das für die Frau bestimmte Glas ein Betäubungsmittel schütten, so dass die Frau dem Winzenburger preisgegeben sein würde. Da trat das Hödeken auf den Plan. Er vertauschte die beiden Pokale, mit der Wirkung, dass der Winzenburger in Bewußtlosigkeit sank, die von ihm Begehrte aber schnell verschwinden konnte, als sie den Plan des Grafen durchschaute. Der schob seinem Diener die Schuld zu und ließ ihn in das tiefste Burgverließ werfen, wo er elendiglich umgekommen sein soll. Das Hödeken aber triumphierte über den gelungenen Streich. Doch der Winzenburger gab seinen Plan nicht auf, stellte der Frau wieder nach und wurde von dem betrogenen Ehemann dann 1152 selbst ermordet.

Um dieselbe Stunde aber, in der der Graf und seine Gemahlin ermordet wurden, rannte das Hödeken in Siebenmeilenschritten den Rennstieg entlang nach Hildesheim zum Bischof Bernhard, um ihm mitzuteilen, was Grässliches auf der Winzenburg geschah. Er tat dies mit den Worten: „Plättner, wake up, de Grevenschop to Winzenborch, de steyt los!“ Bischof Bernhard war trotz seines hohen Alters und fast vollständiger Erblindung noch ein recht energischer Herr. Er wusste, was er auf die Mitteilung des Burggeistes zu tun hatte. Eiligst schickte er eine bewaffnete Macht vor die Burg und ließ dieselbe einnehmen. Von dem erstochenen letzten Winzenburger heißt es, er habe im Grabe keine Ruhe gefunden und sei als Spukgestalt umhergewandelt. So soll er einmal, mit einem feurigen Halsband angetan, dem Probst Conradus zu Pöhlde auf dem Eichsfelde erschienen sein und ihm seine Not geklagt haben. Durch Gebet und Fasten hat der Probst denn auch erreicht, dass dem spukenden Grafen Linderung seiner Höllenqual zuteil wurde. Anstandshalber hat sich der tote Graf dann bei dem Probste gelegentlich eines späteren Besuches, den er ihm abstattete, recht herzlich bedankt.

Hölling berichtet im Jahre 1730 von einer weiteren Tat Hödekens. Die überschrift des zehnten Kapitels seiner „Historie“ lautet: „Wie ein Roß-Kämmer den Geist Hödeken zum Hüter seines Weibes gemacht habe.“ Danach lebte ein Roßkämmer in einem Dorf nahe der Winzenburg, der ein schönes, doch ungetreues und unersättliches Weib hatte. Wenn nun der Mann, seiner Hantierung nach, verreist war, hielt die Frau in der Zwischenzeit mit anderen guten Gesellen Haus. Als der Roßkämmer dies aber merkte, „es müste die Milch mit seinem Weibe so gar rein nicht seyn, durffte er doch niemand diesen Handel auf recht gut Vertrauen offenbahren, sondern er machte mit dem Geiste Hödeken ein Gedinge und Contract, daß er sie in seiner Abwesenheit als ein Pfleger und Vormünder in Verwahrung nehmen und verhüten sollte, damit andere mit ihr keine Gemeinschafft haben mögten“. Nachdem er nun darauf seinem Handel und Kaufmannschaft nachging, stellte sich Hödeken verabredungsgemäß auch ein. Aber er hatte nun vierzehn Tage lang weder tags noch nachts Ruhe und Frieden. Er zog die Decke ebenso ab wie das oberste Bett, so dass er der stetigen Arbeit überdrüssig und müde wurde. Als der Roßkämmer wieder nach Hause kam, ging ihm Hödeken entgegen und sagte ihm noch auf dem Felde: „Oh! Wie froh bin ich um deiner Wiederkunft; denn ich die 14. Tage weder Tages noch Nachts habe ruhen können, noch müßig sein, von wegen der vielen Männer und Junggesellen, so mit deinem Weibe haben gern spielen und Kundschaft machen wollen, aber es ist ihrer keinem angegangen, und sind alle in ihren Vornehmen verhindert worden, und ehe ich mich hierfürder selbst ein Hüter deines Weibes sein.“

In der Nacht der 11000 Jungfrauen des Jahres 1371, als Herzog Magnus zu Braunschweig und Lüneburg die Stadt Lauenburg ersteigen ließ, hat Hödeke auf dem Turm der Winzenburg ein wunderliches Spiel gehalten und dasselbe mit den Worten beschlossen: „Sie sind alle hinüber.“ Bald aber wurde bekannt, dass Lauenburg erobert worden war. Eine Nacht bevor Herzog Heinrich zu Braunschweig und Lüneburg erstochen wurde, hat der Geist sich auf dem Turm wieder weidlich hören und sehen lassen.

„A.D. 1402 als Graf Johann von der Hoye der 39. Bischof zu Hildesheim das Schloß Winzenburg wüste liegen ließ, hat solches Hödeken nicht wenig verdrossen und sich desfalls kläglich vernehmen lassen; So bald er aber anders Gemühts worden und Winzenburg gebauet und durch Hermann von Bock bewohnen lassen, so hat er dessen einen freudigen Mut gehabt, und sich ganz freudig hören lassen.“

Im Jahre 1448 saßen zwei Mönche zur Klause bei Gandersheim (Kloster Clus), hinter dem hohe Berge zuammen und unterhielten sich über Geister, Gespenster und allerhand Teufelsspuk. Dabei kamen sie auch auf den Burggeist der Winzenburg zu sprechen. Es waren dies die Klosterbrüder Leonhardt von Wernigerode und Konradus Wider, die sich vornahmen, den Geist zu beschwören, ihn zu zwingen, zu berichten welcher Art er sei, wodurch er zum Geiste geworden und ihn zu erlösen oder zu bannen. Am Montag durch Laetare machten sie sich morgens auf den Weg. Sie begaben sich durch den Wald nach der Winzenburg, um dort an dem nächstgelegenen Berg den Geist zu fordern. Er kam auch in der Gestalt eines Raben und setzte sich auf diesen, bald auf jenen Baum, heulte dann, weinte darauf, bald wurde auch gepfiffen, gesungen, frohlockt, aber auf die Frage beider Mönche nicht geantwortet. Endlich brachte Hödeke sie mit seinen mannigfältigen und wunderlichen Posen voneinander und in die Irre, so daß wohl jeder des anderen Stimme hörte, aber beide nicht zueinander finde konnten. Sie gingen bis zum folgenden Freitag irre und konnten weder bei Tag noch bei Nacht ruhen. Des Freitags früh morgens, als sie in den benachbarten Dörfern die Glocke schlagen hörten, ihren unnötigen Vorwitz als Sünde und Unrecht erkannten und auch zu Gott um Verzeihung gebeten und um Gnade angerufen hatten, fanden sie wieder zusammen, aber so abgemattet, dass sie kaum noch fortkamen. Auch ist der eine mit einem heftigen Durst, der andere mit einem großen Hunger zum Pfarrer zu Wetteborn eingekehrt, der hat ihnen zu essen und zu trinken vorgesetzt und sie am folgenden Sonntag matt und krank ins Kloster bringen und führen lassen. Daselbst ist Bruder Leonhardt am Grünen Donnerstage an der Schwindsucht elend verstorben, der andere Bruder Conradus ist 1450 Freitags nach Laetare an der Wassersucht verstorben.

1438, am Tage Concept.B.Mariae, als Bischof Magnus zur Winzenburg erstmals kam, wurde er von Hödeken ganz freudig und wohl empfangen. Aber man soll ihn daselbst, so lang der Bischof gelebt hat, nicht mehr gesehen haben. 1446 hat der Geist Hödeke einen Hopfenfahrer nicht weit von Winzenburg in die Irre geführt und endlich sich in Gestalt eines Raben auf den Karren gesetzt und darauf viel Affenspiel getrieben. Noch am selben Tag ist das Roß des Fuhrmanns zur Erde gestürtzt und nicht wieder aufgestanden. Als der Graf von Wunstorf die Winzenburg inne hatte und bewohnte, hat man diesen Hausteufel und teuflisches Gespenst nicht vernommen. Erst als Herzog Wilhelm nach Michaelis des Jahres 1451 am Pilshagen im Amte Grubenhagen gefangen genommen und auf die Winzenburg geführt wurde, hat Hödeke alle Nächte kläglich geheulet, bis derselbe am Tage Johannis des Täufers 1452 wieder erlöst wurde. Von einem alten Manne wird berichtet, dass er einstmals in der Nacht sein Roß in der Weide gehabt, da sei Hödeke ihm in Gestalt eines Hasen erschienen, weswegen er in der folgenden Nacht seinen Bogen und Pfeile mit sich nahm. Als nun Hödeke abermals erschien, und ihm vor den Augen ein Affenspiel machte, habe er abermals seinen Bogen gespannt, einen Pfeil aufgelegt und losgedrückt, aber dabei sein eigenes Pferd erschossen. Also soll Hödeke auch sonst die Jäger geäfft haben.

Als 1519 am Tage der Apostel Petri und Pauli Herzog Erich zu Braunschweig und Lüneburg und sein Vater Herzog Wilhelm auf der Stoltenauer Heide in einer Schlacht gefangen wurde, hat Hödeke die vorhergehende Nacht greulich geheult und geklagt und noch viel mehr 1522 frohlockt, als das Feuer auf der Winzenburg ins Pulver fiel und Heino Ruschenplate dem Fürsten das Haus übergeben und einräumen musste.

„Dieses alles habe ich zum Teil aus alten Verzeichnissen, Calendern und Memorien-Büchern, auch zum Theil vor 34. Jahren von alten und fürnehmen Männern mit grossen Bestand berichten hören: Sonderlich auch von denen so des Nachts im Felde bey Pferden, Schaafen und sonst auf dem Lande seyn müssen, auch wohnen der Oerter noch jetziger Zeit Leute, die das zeugen und berichten, wie Hödeke A.D. 1547 den 24ten Maji die Nacht vor der Drakenburger-Schlacht A.1552 in der Alfeldischen Belagerung: A.1553. den 9ten Julii vor der Sievershausischen Schlacht und A.1584. den 8ten Novembris als Hertzog Erich der Jüngere verstorben, mit Schreyen, Heulen und Weinen sich verhalten habe“.

Hödeken wird der Sage nach nicht als guter, sondern als böser Geist beschrieben, der erstmals im Jahre 752 „viel Wesens“ machte, als Graf Ruckhard gefangen genommen wurde. Dass gelegentlich Sage und Geschichte bestimmte Jahreszahlen verschiedenen historischen Ereignissen zuordnen, sei an der folgenden überlieferung verdeutlicht: „A.C.1133 hat der teufliche Geist Hödeke etliche Tage vor der Zeit da Graf Hermann seines Hofmanns Weib geschändet, auch derentwegen mit seinem Weibe erstochen worden, über und um die Winzenburg viel wesens und schreyens gehabt, sich auch in mancherley Art und Gestalt sehen lassen. Auch haben ihn die Leute am hellen Tage mit seinem kleinen Stroh-Hütlein erkannt, gesehen, reden, klagen, heulen, weinen und dann auch wieder singen und frohlocken hören, worauf auch bald der Untergang der Grafschaft erfolgte. Auch bald als ein Kundschafter und Post-Bothe, sich Bernhardo dem Bischof zu Hildesheim, wie droben vermeldet, erzeiget, und ihm mit folgenden Worten die Entledigung verkündet und angezeiget: Pletner stehe auf die Grafschafft Winzenburg ist loß, denn Graf Hermann und sein Weib ist erstochen.“ Tatsächlich übernahm der Bischof 1152 die Winzenburg erneut.

Ein vom Bischof mit der Burg belehnter Graf hatte zwei in Unfrieden lebende Söhne. Um den Erbschaftsstreit abzuwenden, war mit dem Bischof vereinbart, daß derjenige mit der Grafschaft belehnt werden sollte, der sich nach des Vaters Tode zuerst bei dem geistlichen Herrn melden würde. Als nun der Graf starb, setzte sich der älteste gleich auf sein Pferd und ritt zum Bischof. Sein Bruder aber hatte kein Pferd und wusste nicht, wie er sich helfen sollte. Da trat Hödeken zu ihm und sprach: „Ich will dir beistehen; schreib einen Brief an den Bischof und bitte um Belehnung; er soll eher dort sein als dein Bruder auf seinem jagenden Pferd.“ Da schrieb er ihm den Brief, und Hödeken trug ihn auf einem Weg, der über Gebirge und Wälder geradeaus ging, nach Hildesheim. Der Geist war schon lange da, ehe der älteste herbeigeeilt kam, und gewann damit dem jüngsten das Land. Dieser Pfad ist schwer zu finden und heißt noch immer „Rennstieg“.

Als im Jahre 1371 der Edle Herr Heinrich von Homburg, die Ritter Siedfried von Saldern und Dietrich von Alten mit 700 Mann in dunkler Nacht in der Stadt Lüneburg einfielen, wurde die Ausführung dieses mißglückten Handstreiches auf eine unklar gehaltene Weissagung des Poltergeistes „Hoideke“ bzw. „Heydeke“ zurückgeführt.

Seitdem die Winzenburg zerstört ist, treibt sich Hödeken im Felde umher und kümmert sich um die Pferde und Wagen, lädt Heu auf und geht unsichtbar den Knechten zur Hand. Doch muss man sich hüten, ihn zu beleidigen. So sah ein Bauer in der Winzenburger Gegend, als er auf seinen Acker gehen wollte, aus der Ferne ein kleines, graues Männchen beim Düngerstreuen. Der Bauer hatte niemand damit beauftragt und beschleunigte seine Schritte, um zu sehen, wer ihm ungerufen den Dienst täte. Als er aber zu laufen anfing, stand das Männchen still wie ein Stock, und indem der Mann seinen Acker erreichte, sah er dort nur den alten, grauen Wegweiser auf dem Kreuzweg hart am Feld. „Du Lork, hest mek wat ebrüet!“ – also: „Du Kröte, hast mich geneckt!“ – brummte der Bauer, der ganz außer Atem war und gab dem Pfahl einen derben Schlag mit dem Stock. Aber wie erschrak er, als der Wegweiser kläglich aufschrie und ihm mit seiner lebendig gewordenen Hand eine so kräftige Ohrfeige gab, dass er über und über stürzte. Nachdem sich der Bauer aufgerafft hatte, nahm er die Rockschöße unter den Arm und lief, so schnell er konnte, dem Dorfe zu. Nachher ist er immer weit um den Wegweiser herumgegangen.

Oder:

Als die Winzenburg in Schutt und Asche lag, und unten im Tale das „Neue Haus“ errichtet war, zog Hödeken dort ein. Er half allen Bedrängten, wie er es auf der Burg getan hatte. Eines Mittags saß der Bauer Strüvy in Winzenburg mit seiner Familie und seinen Bediensteten beim Mahle. Man sprach über die am Nachmittag zu erledigenden Arbeiten. „Du“, sagte er zum Großknecht, „fährst zum Knick und pflügst den Acker fertig, da wir Hafer säen wollen, der Kleinknecht hilft dir. Frau und Magd bestellen den Garten, ich gehe zum Sandgraben, um Mist zu streuen.“ Gesagt, getan. Er nahm die Grepe, ging zum Prötschentor hinaus zum Sandgraben, der an der Everöder Höfe lag, unweit des Höfenkreuzes. Schon beim Verlassen des Dorfes gewahrte er auf seinem Acker einen Menschen, der den Mist ausstreute. „I“, sprach er sich selbst, „wer mag das sein, du hast doch niemanden beauftragt!“ Irrte er sich? Er blieb stehen, rieb sich die Augen. Aber der Mann blieb. Geschäftig eilte er hin und her. Eiligst ging Strüvy dem Lande zu. Ein Busch verdeckte ihm die Aussicht. Als er um die Ecke kam, sah er niemand. Nur ein alter Wegweiser stand am Ackerrain, streckte seinen Arm nach Everode aus und den anderen zum Rüstiberge. Da wurde Strüvy ärgerlich, nahm seine Grepe, schlug gegen den Pfahl und schrie dabei: „Teuf, diu ohle Pahl, diu hest meck erbruihet“ (Warte, alter Pfahl, du hast mich genarrt). Aber oh Schreck, der Pfahl wurde lebendig, erhob seinen Arm und gab dem Bauer eine Ohrfeige, so dass dieser mit dem Gesicht im Misthaufen steckte. Als er sich hustend und prustend erhob und sich die Augen rieb, war der Pfahl verschwunden. Strüvy soll von dieser Zeit an jeden Wegweiser im großen Bogen umgangen sein.  
(Monika und Gerhard Kraus: Hoedeken. Sagen und Erzählungen aus dem Leinebergland, Hannover 1988, S.33-42)